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Nujel'm, die goldene Insel

StädteNujel'm
Einwohnerzahl unbekannt, viele Sklaven
Herrscher Az'Rhai Halan el Bhamdri

Nujel'm liegt in der nördlichen, taresischen See, gleichauf mit der Insel Moonglow. Es ist dem Kontinent jedoch näher zugewand.
Seit jeher hatte die goldene Insel eine Sonderstellung, die von den taresischen Herzögen geduldet wurde. Obwohl sie offiziell Teil des Herzogtums Taresien ist, genoss sie eine gesonderte Behandlung, die sie sich durch ihren unermesslichen Reichtum und Einfluss erkauft hatte.
Seit des Ausrufens des britannischen Königreichs und der Unvereinbarkeit des Sklavenhandels mit königlichem Recht, welcher einst in ganz Taresien und nun nur noch in Nujel'm praktiziert wird, schrumpft die Sonderstellung Nujel'ms.
Die goldene Insel wurde nach diplomatischen Spannungen im Westen vom Königreich besetzt, während auf der Ostseite der Az'Rhai herrscht.

Nujel'm (Stadt):


Klima:
Nujel'm ist heiss, sandig und karg. Nur in der Nacht kühlen die Temperaturen herab.

Geschichtliche Besonderheiten:
- Durch eine Intrige des Herzogs von Taresien, Kerowyn, wurde der Az'Rhai Yishai el Bhamdri in Vesper ermordet. Sein Sohn Halan el Bhamdri wird Nachfolger.
- Auf Anordnung der Königin Josephine I von Stolzenforst wurde West-Nujel'm besetzt und bebaut.
- Ein Waffenstillstandsvertrag wurde zwischen West- und Ost-Nujel'm ausgehandelt.

Stadtteile:

Zentrum- schon vor dem Anlegen am Hafen sieht man bei seiner Anreise die funkelnden, goldenen Dächer der reichen Stadt. Die Westseite der Insel ist dicht bebaut und so gelangt man vom Hafen direkt in das Herz der Stadt. Vorbei am Lagerhäusern, Herbergen und Gaststätten hin zum sagenhaften Markt der Insel. Dort kann man wirklich alles erwerben: exotische Gewürze, edler Schmuck, exquisite Speisen und noch viel mehr. Vorausgesetzt man bringt entsprechendes Verhandlungsgeschick mit und viel Gold! überall hört man geschäftigtes Stimmengewirr, wird Handel getrieben oder auf einem Sitzkissen eine Wasserpfeife geraucht. Die Gebäude sind aus teurem Sandstein oder gar Marmor erbaut und überall wird man des scheinbar nie versiegenden Reichtums ansichtig. Die Straßen sind sauber und nirgends erblickt man einen Bettler - die Stadtwachen des Az'Rhai würden sie auch umgehend "entfernen". Sklaven sind man des öfteren, aber sie alle haben einen Herrn, dem sie dienen oder sie stehen am Markt zum Verkauf an einen neuen Herrn.

Palast- nördlich des großen Marktes befindet sich der Sitz des unangefochtenen Herrschers der Insel, der Sonne des Lebens. Reichtum, Verschwendungslust in allen Maßen. Der Az'Rhai gebietet über einen weitläufigen Palast voller Gärten und allen nur erdenklichen Prunk, der einem britannischen Grafen vor Neid sicher erblassen lies. Eine ganze Horde an Sklaven, Haremsdamen, Eunuchen und Dienern stehen bereit, um dem Az'Rhai jeden erdenklichen Wunsch von den Augen abzulesen...

Nordviertel - während im Stadtzentrum das Leben und der Handel pulsiert, so ist das Nordviertel das ausgleichende Gegenteil, nicht minder reich, aber ruhiger und fernab der fremdländischen Reisenden und Händler. Gerüchteweise nach soll auch hier irgendwo das berüchtige "Himmelskraut" angebaut und verarbeitet werden...

West-Nujel'm, Königliches Territorium

Wenig ist darüber bekannt, was auf dem königlichem Gebiet vor sich geht. Doch einige Sklaven sind auf die Westseite geflohen, um dort als freie Menschen leben zu können...

Aus den gesammelten Schriften des Werks "über die Natur der Welt", der Lohaire-Abtei zu Yew:

über das Land

Karg liegt das Eiland in der schweren, dunklen See unter ewig wolkenlosem Himmel; aus Staub und Sand geschaffen scheint es aus der Ferne. So viel Wasser es umgibt, so wenig fällt darauf herab, in Sommers- wie Winterszeit. Grün wird das suchende Auge darob selten finden, außerhalb der Stadt. Statt dessen allerhand garstig Getier, schwarze Steinskorpione und Felsnattern die dem unachtsamen Wanderer nicht wohl wollen, auch die kleinen nächtlichen Wesen, Sandflöhe genannt, vermögen dem Reisenden heftig zuzusetzen, und Vögel sind selten gesehen in Nujel'm. Wenig wächst, wird es nicht mit hoher Sorgfalt angebaut. Bäume, Sträucher, Blumen - all dies ist eine Seltenheit auf der Insel. Einzig dorniges Gestrüpp, das der raue Wind wie spielende Kinder über die Dünen treibt, und das kurze, krause, blassgraue Wollgras wehrt sich gegen die Bande von Sonne und Sturm.

Es dünkt den Reisenden, als habe Murranagh wie Caihume sich abgewandt und was an Gaben sie hätten bescheren mögen, nur spärlich verteilt.

Daher wohl aus fernen Landen einst auf die Insel gebracht, doch längst dort heimisch sind die Jhakir'ai, beinahe pferdgroße Tiere mit einem eher zierlichen Kopf und hängender Lippe, deren Fell zumeist von goldener Farbe ist. Sie ähneln den Lamas der Ostlande, sind jedoch feuriger und feiner in den Gliedern, auch ihre Gänge sind weicher, so dass ihre Erscheinung im Ganzen eine höchst edle ist. Die Stadt Nujel'm, anders als die Insel, trotzt aller Kargheit mit ihrer Pracht. Der Reichtum der Nujelm'er beschert, was die Natur dem Eiland verwehrt hat. Wie Licht und Schatten sind die beiden Teile des Landes, deren Gegensatz es prägt wie kaum etwas anderes. Lange dem Wanderer im Gedächtnis bleiben wird das Rätsel der Brunnen in der Stadt, die, der umgebenden See und dem brennenden Antlitz Ayanyehs zum Trotze, kaum je zu wenig Wasser zu führen scheinen.

über die Geschichte

Viel zu gering bleibt unser Wissen über die Besiedlung der Insel. Wir können nichts als versuchen, mittels hunderter geringer Rätsel einst das große zu lösen. Hashgan ar'Khelid ist der Name des legendären Fürsten, der das Eiland in Besitz genommen haben soll, und auch heute noch wird er voller Achtung genannt. Es muss wohl einige Hunderte an Jahren her sein, dass dies geschah, doch weder die Zeit noch was genau sich zutrug, ist uns bekannt. Nach Lohaires Gebot werden wir weitersuchen, dies Wissen zu gewinnen.

Zahllose Jahre waren vergangen, da trafen Herzog Casuras Männer auf die dort bereits seit langer Zeit lebenden Bewohner der Insel, deren Sprache und Bräuche so anders waren als die uns und den Taresiern bekannten, und die über die Jahresläufe großen Reichtum angehäuft hatten, den zu zeigen sich keiner unter ihnen scheute, und es wurden Bande geknüpft, die bis zum heutigen Tage überdauert haben.

Glosse:

Dies sagte Khefid jar'Zhamir, ein Wächter der Stadt zu mir, Doron Traudar, Bruder des Ordens des Lohaire:

"Hashgan, größter aller Fürsten, er brachte den Krieg und er focht ihn. Nujel'm ist auf Blut errichtet, und wir sind stolz auf das, was geschah! Ein jeder Az'Rhai hat sich tausend Male mit dem Jaizuf bewiesen, stark in der Schlacht und groß im Wort, reichster aller Reichen, dessen Rikh kein Mann übertreffen kann, nur er darf die ar'Jhaladin führen! Dan Khorad na Khachyra Charad sha Rukhmad jar'Wachal i-Sai!"

über Herrschaft und Bündnisse

Seit unzähligen Jahren, so lange Schriften und Denken der Nujel'mer zurückreichen, herrscht auf der Insel der Az'Rhai, ein unseren Königen oder Herzogen ähnlicher Kriegsfürst, der für Unbeugsamkeit und harte Hand ebenso gerühmt wird wie für Reichtum und Handelsgeschick. Ebenjener legendäre Hashgan war der Erste, der diesen Titel trug, so heißt es.

Anders als in unseren Gefilden jedoch entscheidet nicht die Sippe über die Thronfolge, oder, wie in manch Zeiten des Unglücks, die Wahl unter Gleichen, sondern Reichtum, Einfluss, Kampf, List und Geschick, nicht selten ein wohlplatzierter Dolch. Nur zu oft in den vergangenen Jahren ward die Insel zerrissen durch Machtkämpfe um den Palast des Az'Rhai, und kaum mehr als ein Dutzend Jahre ist es nun her, dass sie unter der Hand Rukhmads jar'Wachal i-Sai, des Herrschers auch zu dieser Zeit, zu einer erzwungenen Ruhe fand. Az'Rhai Rukhmad hat im Volke den Namen eines harten, unnachgiebigen Mannes, dem dennoch viel an den Lustbarkeiten seiner Insel gelegen ist. In seinem Palast lebt er in hochherrschaftlicher Fülle, seine Feste sind weit über die Insel hinaus gerühmt, und viele andere Zeichen seines Wohlstands, allem voranstehend der Muchrid, dem über dreihundert der schönsten Frauen angehören sollen, sind selbst in die Lieder fremdländischer Spielleute eingegangen.

Der Friede hat der Insel wohlgetan, nichts hält den Reisenden nunmehr davon ab, Nujel'm aufzusuchen, als ein leerer Beutel, und die Verlockung ist groß, so kommen unzählige einen jeden Tag.

Gleichwohl Nujel'm dem Inselbund Taresiens angehört, steht es dennoch abseits, unter Herzog Kerowyns Hand und ihr doch entzogen. Nicht gesetzlos, sondern dem fremden Gesetz des Az'Rhai unterworfen, das härter ist als das des Bundes, und den Achtlosen mehr als nur seinen Ruf kosten wird, wie auch den Schurken.

Unsere Gelehrten sind erstaunt, wie bereitwillig die Herrscher der meisten Lande den Anspruch der Insel anerkennen. Selbst Herzog Kerowyn versuchte mit nichts weiter als Diplomatie, größeren Einfluss zu erringen, und bis zum heutigen Tage war ihm kein Erfolg beschieden als beiderseitige Anerkennung. Mehr noch, er, und andere hohe Herrscher, nutzen die Insel zuweilen zu Verhandlungen die so wichtig und gefährlich sind, dass kein anderer Platz im Reiche die notwendige Neutralität gewährleisten kann. Gast sind sie dann im Palast des Az'Rhai, welcher noch niemals die Gelegenheit verstreichen ließ, mit all der Fülle seines Reichtums die hohen Damen und Herren zu umgarnen und sich gewogen zu machen.

Und so ist selbst das Himmelskraut etwas, was wohl so manchem der hohen Gäste ein Grimmen bereiten mag, jedoch all dem zum Trotze keine weitere Erwähnung finden wird.

Offene Auflehnung wider Taresien, ob dessen sind sich unsere Weisen eins, wäre der Beginn eines Krieges, und so gibt die Goldene Insel unter der listenreichen Führung Rukhmads nach, wo es die Not gebietet, und genießt all überall sonst die Freiheiten, die sie sich dadurch und durch ihren Wohlstand erkaufte. Viele Bündnisse mit allen Teilen der Alten Welt, offen wie geheim soll er geschlossen haben, und so genießt die Insel nicht nur Duldung sondern auch Schutz, trotzdem sie selbst weder über große Streit- noch Waffenmacht verfügt.

Glosse

Dies sagte Obdal jar'Nasir, ein reicher Handelsfürst zu mir, Andargast Mantuin, Bruder des Ordens des Lohaire:

"Rukhmad ist ein Fuchs, keiner der Az'Rhai war je so listenreich wie er.

Die Fremden denken, er versteht sie nicht oder sehe in Staunen auf sie, und doch durchschaut er sie besser als es ihnen beliebt. Er lenkt sie und setzt seine Grenzen, während sie glauben, es seien die ihren. Sie sind es nicht. Nur in den unwichtigen Dingen lässt er den anderen ihren Willen, ansonsten nutzt er tausend und drei Listen um sie dies glauben zu machen... Und es gelingt ihm in fast jedes Mal. Ein geringes Zugeständnis lässt er sich mit großem Profit vergelten, und diesen wiederum nutzt er, an anderem Ort nach seinem Willen tun zu lassen. Meister des Duwakh mit Stein wie Mensch. Sein Rikh wächst mit jedem Tag den die Sonne die Abendsee trinkt..."

über die Bewohner

Wohl sind die Bewohner der Insel von einer Art, und doch nicht alle gleich. Wie zwei Völker beinahe leben sie nebeneinander her, ar'Jhaladin, die in Reichtum und Pomp in ihren Prachtbauten hausen, und die kleine Gruppe der Yashiskar, deren Genügsamkeit nur von ihrem Kampfesmut übertroffen wird, wobei die einen die anderen gleichermaßen verachten.

Offen zu Fremden ist Ohr und Mund eines jeden ar'Jhalad, erhofft er sich doch Handel und alles was daraus entspringt. So wie Mund und Ohr eines Yashisk ihm verschlossen sein werden wie ein steinerner Wall. Nur zu den seltensten Zeiten einmal hört man von einem Fremden, dem in solch Begegnungen mehr vergönnt ward als Schweigen. So ähnlich die beiden - selbst der Gelehrte mag ob dessen mit reinem Gewissen sie Völker nennen - sind in der Gestalt, so unähnlich sind sie einander im Wesen...

Der Yashiskar sind wenige, und zu einer Siedlung geschlossen, die kaum je ein Fremder betrat, hausen sie am Rande der Stadt, arm aus freiem Willen, und aus der Verachtung der ar'Jhaladin, die sich schon lange Handel und Wohlstand zugewandt haben, wo die immer dunkel gekleideten Kämpfer sich weiterhin an Waffenklang und Manneskraft erfreuen. Selbst ihre Sprache ist nicht dieselbe, trotz aller Nähe der beiden Völker. Wer ihnen aus dem anderen Volke am meisten ähnlich ist, sind die Jaizufan'in, die golden gerüsteten Wächter der Stadt, denen Kriegskunst ebenfalls ein hohes Gut ist, hat auch die Freude am eigenen Reichtum und all den Annehmlichkeiten die dieser mit sich bringt, sie bereits lange zuvor erfasst und geprägt.

Ein verschlossenes Buch sind die dunklen Kämpfer selbst dem Diener Lohaires, ihre Münder wollen nicht reden und ihre Gesichter schweigen ebenso. Anders die ar'Jhaladin - ein Wasserfall wird weniger rauschen als die Worte über ihre Lippen kommen, beginnt man den Handel.

Doch trügt die Bereitwilligkeit den Unerfahrenen. Es mag ein Wasserfall sein, der auf seine Ohren niedergeht, doch jedes Wort wurde gewogen ehe es den Mund verließ. Der Unwissende hört viel, doch wird er nicht mehr erfahren als der Händler es für richtig hält. Auch auf die Wahrheit der Worte sollte nicht zu viel gegeben werden - dort wie hierzulande lügt der tüchtige Händler sich nur zu gerne die Ware zurecht, lenkt ab oder schmeichelt, unlauterer Absichten

Die ar'Jhaladin genießen ihren Reichtum in jeglicher Art, was dem genügsamen Diener Yahánes Dekadenz ohnegleichen scheinen mag, ist bei ihnen Lust, Freude, selbst Dienst an ihren Göttern. Den Rausch zelebrieren sie in jeglicher Form, wie auch die Lust, ja, die Huren sind ihnen zuweilen so teuer wie manchem Diener Ayanyehs die reinste Novizin.

Glosse

Dies sagte Hadif al'Borud, ein Geschichtenerzähler zu mir, Dalana Elrad, Schwester des Ordens des Lohaire:

"Ihr denkt, Ihr kenntet uns, wenn Ihr unsere Worte hört. Ihr kennt uns nicht. Zu leichtgläubig sind die meisten der Shaishar, lassen sich von einem Lachen oder einigen Sätzen bezaubern und schenken dem Freundschaft, der doch nur seinen eigenen Vorteil sucht.

Ihr lobt uns ob unserer Handelskunst, und Recht tut Ihr daran, ist sie doch ohnegleichen. Jedoch vergesst Ihr die eigenen Worte und meint, einen Eurer Händler vor Euch zu haben, keinen ar'Jhalad, der im Duwakh um Rikh und Gold seit dem Kindesalter geübt ist und für den ein Wort nicht mehr ist als ein Niesen, ein Gähnen, eine Geste. Sucht Ihr Wahrheit, sucht anderswo, in Nujel'm werdet Ihr wohl Reichtum finden, Wunder und Preziosen. Doch Wahrheit nicht."

Trotz, oder gar ob ihres Reichtums ist gerade der Hände Werk auf der Insel als wertlos angesehen, und wird nahezu ausschließlich von den Sklaven verrichtet, deren Zahl mehr als drei Mal so hoch sein muss wie die ihrer Herren, und die auf den großen, häufig abgehaltenen Sklavenmärkten der Insel wie Vieh gehandelt werden. Diese Menschen besitzen weder Recht noch Gut, und ihr Leben ist ganz vom Willen ihrer Herren bestimmt. Weit abseits der prunkvollen Stadt finden sich denn auch ihre Hütten, die gar keine Spur von dem Glanze aufweisen, der der Insel den weithin bekannten Namen eingetragen hat. Auch sei eine Warnung an den Reisenden gerichtet, denn es gehen Gerüchte, dass nicht wenige der Sklaven einst selbst Wanderer gewesen seien, die auf die eine oder andere düstere Weise ihre Freiheit verloren hatten.

Glosse

Dies sagte Nasred jar'Benin, ein Wächter der Stadt zu mir, Doron Traudar, Diener des Wissenden: "Tragt Ihr Shaishar stolz Gold in Euren bleichen Händen - unsere Kammern sind voll davon! Seht unsere Dächer! Seht unsere Strassen! Ist Nujel'ms Pracht nicht ohne Vergleich? Wie aus feinstem Marmor auch die geringsten Bauten errichtet, mit blitzendem Silber auch die ärmsten Gefäße verziert sind, wer will es übertreffen? Ihr mögt es versuchen, doch gelingt es euch nicht! Der Vater allen Wohlstands ist unser stetiger Gast. Wie soll er auch anders, denn welcher wollte die schönste aller Städte verlassen?

All die schmückenden Rubine, Topase und Saphire werdet Ihr nicht zählen können, wenn Ihr sie gewahrt! Die Schönheit unserer Frauen - dreihundert und zwanzig und vier sind es im Muchrid des Az'Rhai allein und sie alle macht er glücklich - ist wie die Sonne über den Dünen - lebensspendend und verbrennend, wer zu lange ungewohnten Auges sie erblickt! Wir sind wahrlich gesegnet, Khorad und Khachyra sehen freudig auf uns herab, denn wir tun ihren Willen, und so ehren sie uns mit Schätzen und Glück!"

über Bräuche und Sitten

Reichtum erschuf die Stadt, die den Namen der Insel trägt, und Reichtum prägt sie. Selten ward Kostbareres gesehen als auf jenem Eiland. In Marmor und Gold gekleidet erheben sich Bauten zum Himmel und Gold schmückt selbst die Waffen und Rüstungen der Wächter der Stadt. Ob dieser Fülle hat Nujel'm denn auch seinen Volksnamen erhalten, der da heißt "die Goldene Insel".

Händler bieten Waren aus selbst den entferntesten Landen, vom Geringsten bis zum Prächtigsten findet hier ein jeder, was sein Herz begehrt - zu einem angemessenen Preise.

Reichtum ist ihr Wesen und Handel ihre Freude und so achten die ar'Jhaladin denn auch den Reichtum und das Handelsgeschick höher als alles andere, und mit seinem Können vermag ein Fremder sich hier großes Ansehen zu erwerben.

Sie haben das Feilschen zu einer Kunst erhoben der gehuldigt wird, wie in unseren Landen der Musik oder Bildhauerei. Stundenlang wird um den Preis eines Stückes gestritten, sei es von höherem Wert oder nicht, und die Worte die sie dabei wechseln, sind von einer Farbenpracht und Blumigkeit, die der unserer Erzähler in kaum etwas nachsteht. Der, der unterliegt in einem solchen Streit, mag gar das Ziel einigen Spottes werden, und je höher der Preis eines Stückes, umso länger und ausgiebiger wird sich des gewonnenen Handels gerühmt. Vor allem Fremde werden somit Anlass für Geschichten geben, welche sie nur mit Seltenheit in gutem Lichte sehen lassen.

Viele Gebote kennen sie und viele Tabus und so manches hat mit dem Handel zu tun. So sehen sie es als unehrenhaft, einen solchen abzubrechen, und wer dies tut muss harte Strafe befürchten. Ebenso, wer einen Handel abschließt, ohne das nötige Gold zu besitzen, oder gar Wasser verschmutzt, was ihnen in ihrer Dürre als Kostbarkeit gilt. Die Peitsche ist eine milde Strafe für solch Treiben, heißt es. Mancher verlor Hand oder Fuß, Unglücklichere noch gar ihr Leben im Kampfe gegen eine der schrecklichen Kreaturen, die dort zur Ergötzung des Volkes gehalten und in Arenen unter Jubel und den Augen hunderter Schaulustiger von Kämpfern - aus freiem Willen oder unter Zwang - zu bezwingen versucht werden. Die besten unter solchen genießen hohe Verehrung selbst unter den Reichsten, wie die Bewohner der Mittlande sie einem Hohepriester oder Erzmagier zuteil werden lassen würden. Es heißt, einer der alten Az'Rhai, Shafad i'Rhok, habe sich geradewegs aus der Arena heraus den Thron erkämpft und das Volk habe ihm begeistert gehuldigt als sei es nur eine weitere Schlacht gegen einen mächtigen Feind gewesen.

Gerade der Fremde soll sich hüten, unwissend gegen ihre Gesetze zu verstoßen - zu schwer sind die Folgen und Fallgruben lauern auf jedem Stück des Weges, so heißt es von solchen, die längere Zeit dort gelebt. Kann der Fremde, der "Shaishar" auch auf einige Nachsicht hoffen, wird diese ihn jedoch nicht vor allem schützen. Auch ist einer, der diese Gnade in Anspruch nimmt, äußerst niedrig bei ihnen angesehen. Ein höheres Ansehen jedoch will verdient sein, gerade unter den Bewohnern der Goldenen Insel. Und unter dem Shaishar steht nur mehr der Sklave...

Ihr Recht, "Ishud" genannt und dem der Mittlande nur wenig ähnlich, wird mit größter Härte ausgeübt, Gnade sollte keiner erwarten, und wenn es das Unglück will, wird am Unwissenden das Exempel für die Wissenden statuiert, so dass sich selbst der Reichste nicht einmal freizukaufen vermag.

Glosse

Dies sagte Elaif jar'Wadir, als er Recht sprach. Ich, Gundal Iras, Bruder des Ordens des Lohaire, hörte es:

"Dieser hat mit der Linken genommen, was nicht das Seine war und ihm verwehrt. So wird er die Linke verlieren.

Auch hat dieser Lügen gesprochen, als er nach Wahrheit gefragt. So wird er die Zunge verlieren. Ishud!" "Rikh", ein Wort das selbst unsere gelehrtesten Brüder nicht zu übersetzen vermochten, leitet das Leben der Bewohner Nujel'ms zusammen mit dem Reichtum, wie Monde und Sonne den Seefahrer leiten. Macht, Einfluss, Fähigkeit, Ansehen, Wert, all das und mehr bedeutet es, und es zu mehren strebt jeder der Nujel'mer all seine Tage. Sei es durch außergewöhnlichen Mut, Kampfkraft oder Reichtum, geheimes Wissen oder große Kunstfertigkeit in einem der Dinge, die bei ihnen Ansehen genießen, und besonders natürlich durch Handelsgeschick, ein jeder versucht es auf seine Weise, oder deren mehrere, ohne Ende.

Rikh öffnet Türen und Münder, selbst der beste Mann wird nichts erreichen können, wenn er niedrig im Ansehen steht. So mancher der Bewohner der Insel versucht sich in halsbrecherischen Taten um seinen Ruf zu mehren, und Fremde werden argwöhnisch betrachtet, ist ihr niedriges Ansehen doch in Gefahr, mit jeder falschen Tat zu Nichts zu werden. So Du, der Du dies liest, Großes auf der Goldenen Insel erreichen willst, suche Wege, Rikh zu gewinnen, oder lass ab von der Fahrt.

Allzu leicht ist es, Rikh zu verlieren - ein falsches Wort mit dem falschen Mann, ein zu niedrig Stehender - oder gar ein Sklave -, eine törichte Tat, zu große Kühnheit im falschen Augenblick oder offene Feigheit im anderen, und tausend Dinge mehr sind die Fallen, die den Weg des Fremden säumen vom Augenblick seiner Ankunft an. Wer das Glück hat, einen Begleiter unter den Nujel'mern zu finden, der ihn vor den schlimmsten Taten bewahrt, soll die Götter preisen, denn was er da besitzt ist von größerem Wert als das meiste, was er wird erhandeln können.

Glosse

Dies sagte Telaf jar'Khadun, ein Geschmeidehändler zu mir, Undal Leidur, Diener des Wissenden:

"Rikh... Ihr werdet es nicht verstehen. Nicht seid Ihr geboren mit dem Wissen, mit dem Begehren, spürt nicht wie es durch Eure Adern rinnt wie das rote Blut, Euch Stärke und Macht verleiht, oder Schande, und Euer Leben beherrscht. Seht den Fall in den Augen der anderen, und die Ehre, die Euch bringt, was Ihr seid, was Ihr sprecht, was Ihr tut. Nur der Sohn und die Tochter der Goldenen kennen es, leben es. Versucht es nicht zu begreifen, Ihr könnt es nicht."

Sonderbar mutet manchem Fremden an, welche Verehrung ihre Geschichtenerzähler genießen. Ihre Künste sind denen eines tüchtigen Handelsherrn zumindest gleichgestellt, meist jedoch noch höher angesehen. So mancher achtet sie, wie in unseren Gefilden ein Priester geachtet wird, und so wird auch der Rat dieser Männer - und der selteneren Frauen die diese Kunst ausüben - häufig gesucht und hoch geschätzt - und entlohnt. Das Gedächtnis solcher Sagner ist staunenswürdig, hunderte von Geschichten zu kennen und eine jede mit kaum mehr als einigen Herzschlägen des Nachdenkens flüssig zum Besten geben zu können ist keine Seltenheit.

Glosse

Dies sagte Hadif al'Borud, der Bruder eines Geschichtenerzählers zu mir, Katlin Radestan, Schwester des Ordens des Lohaire:

"Der Chamar trägt die Weisheit Hunderter Jahre und Leben zu den Ohren der Menge. Ihr seht ihn als Unterhalter, als Künstler vielleicht, doch er ist mehr als das. Er ist das gesammelte Wissen, besitzt die Summe aller Heldentaten, Listen und Wunder unseres Volkes. Ist das Gedächtnis der Goldenen. Und die besten unter ihnen sind ihre Seele..."

Wie so vieles im überfluss zu finden ist auf dem Eiland, so ist auch der Rausch nicht der seltene Gast, den man in den Mitt- und Ostlanden kennt. Jedes Fest sieht, ja, ruft ihn gar, doch auch abseits solcher Zusammenkünfte wird nichts Schlechtes darin gesehen. Wer sich des Rausches zu bedienen vermag, Herr darüber ist und nicht sein willenloser Diener, der ist gesegnet, so sagen die ar'Jhaladin, und einer, dem es nachzueifern gelte. Wer sich ihm unterwirft jedoch, ist des Mitleids würdig, denn er hat die einzige Grenze überschritten, die für sie gegeben ist. Und so soll's den Reisenden nicht verwundern, wie im Fieber gehende Gestalten auf den Straßen zu sehen, oder solche, die die absonderlichsten Dinge tun - mit Pflanzen, Steinen oder selbst ganz und gar toten Leichen sprechen, sich als Wassertropfen oder Dornenranke finden, von unsichtbaren Farben oder sichtbaren Melodien zu reden, oder sich an Dingen erfreuen, die nur der wahnvolle Geist zu sehen vermag.

Auch Glücksspiel findet sich mannigfach - der Zeitvertreib wahrhaft Wohlhabender, die den Verlust hoher Summen ohne ein weiteres Wort oder gar Sorge verschmerzen. Seien es Karten-, Wetten, Duwakh oder Kampfspiele, für die zuweilen Dutzende Pfunde Goldes gegeben werden, um die eindrucksvollsten Gegner - meist Ungeheuer aus fernen Landen oder feurige wilde Bestien, zu erwerben - im Geringen wie im Großen steht die Lust am Spielen, je riskanter umso höher im Ansehen, und noch mehr am Gewinnen, der Lust am Rausche um nichts nach. Und so ist auch der Einsatz ein mehr als hoher. Die Wagemutigsten setzen gar ihr eigenes Leben aufs Spiel. Und nicht jeder gewinnt...

über Götter und Glauben

Khachyra und Khorad, die Göttergeschwister, so nennen sie die beiden, die sie verehren. In der Stadt wird keiner der Götter der Mittlande auch nur mit Namen genannt. Dennoch scheinen die Geschwister zweien der unseren Götter ähnlich, wenn auch in einer Weise, die einen aufrechten Gläubigen zu gerunzelter Stirne, wenn nicht gar heiligem Zorn veranlassen wird...

Khachyra, die Spenderin aller Freuden, wie sie geheißen, ist die Herrin der Feste, des Rausches, des Genusses aller Gaben der Welt und Götter, der tagtäglich auf der Insel in einer Art gefeiert wird, welche in den Mittlanden nur zu den größten aller Festtage gefunden werden kann.

Sei es Wein, die Freuden der Liebe und Lust, höchste Völlerei oder andere Vergnügungen - was der sein hartes Leben fristende Mann mit Unverständnis, oder auch Verlangen betrachten wird, ist dort tägliches Tun, was der Asket verabscheut, wird dort gepriesen.

So wie mancherorts Caihume nicht als Herrin des Lebens, sondern des Weins und der Liebe verehrt wird, geschieht dies auch in Nujel'm, nur um ein Vielfaches mehr.

Der, der sich dem Rausche dahingibt, und ihn eines jeden Tages erlebt, ohne jedoch von ihm oder dem Verlangen nach ihm so sehr beherrscht zu werden, dass sein Leben nichts anderes mehr kennt, der ist gesegnet, so meinen sie, und achten ihn fast wie einen Priester. Priester selbst jedoch, finden sich keine auf der Goldenen Insel. Sie dienen ihren Göttern anders.

Ein Fest mag jeder in der Stadt an jedem Tage zu finden, besitzt er nur das nötige Wissen. Prachtvoll geschmückte Säle, Ströme von Wein, teuren Likören und Gebranntem wechseln mit den feinsten Delikatessen des Hauses, während Tänzerinnen, die kaum mehr als einige Tücher am Leibe tragen - und zuweilen nicht einmal dies - die Augen der Gäste mit ihren geschmeidigen Bewegungen verzaubern. Nicht selten endet ein solches Fest in etwas, das selbst der Wohlmeinendste nur mehr als Orgie bezeichnen kann. Und niemand blickt darauf missbilligend herab, sondern es wird als lobenswert erachtet, beweist es doch, dass Khachyra wahrlich zugegen war und die Feiernden erfüllte.

Und so soll es nicht verwundern, dass das Geschäft mit berauschenden Substanzen einen großen Teil des Handels in Nujel'm einnimmt - man sagt, es gäbe hier die Weine aus allen Teilen der Alten Welt zu erwerben, und selbst viele dunklere Freuden, wenn auch nicht in aller Offenheit - und der Muchrid - eine Schar junger Frauen, als begehrte Dienerinnen einzig den schönen Dingen des Lebens ergeben - so manches reichen Handelsfürsten, einen großen Anteil an dessen Status besitzt, und zuweilen selbst geachteten Fremden mit Stolz in der Stimme angeboten wird.

Hier zeigen sich dann auch die verschlossensten Nujel'mer wissbegierig, denn Kunde über unbekannte berauschende Tränke, Pulver oder anderes werden gerne gehört und eifrig aufgenommen. Die gesetzlosen Lande sollen denn auch einen blühenden Handel mit der Insel unterhalten, den kein Herrscher bis zum heutigen Tage wahrlich zu verhindern vermochte.

Glosse

Dies sagte Zafira Horuf, eine Muchridain zu mir, Jisa Solt, Schwester des Ordens des Lohaire:

"Kannst Du die Männer so bezaubern, wie ich es tue, Shaishar? Mit Schleiern umwebe ich sie, mit Tüchern fessle ich sie wie mit meinen Augen, meinem Körper. Mit meinen Worten schmeichle ich ihnen und mein Lachen betört ihre Sinne. Voller Stolz erfreue ich sie in den Spielen der Liebe, denn Khachyra hat mich mit ihren Gaben gesegnet und ich weiß sie zu gebrauchen, zu ihrer und meiner höchsten Lust. Hossál ar' Galámad!"

Khorad hingegen ist der Herr des Handels, den sie dort "Telach" nennen. Der Tätigkeit, die den Alltag der Goldenen Insel prägt, wie keine andere.

Nahezu zeremoniell streitet man sich um Ware und Preis, so mancher Satz ist seit langer Zeit überliefert, und das Treiben selbst ebenso Wettstreit um seiner selbst willen, wie Schachern um die Güter. Jeder bemüht sich nach Kräften, den anderen zu übervorteilen, ihn zu überlisten, in Wort und Begründung zu übertreffen, und so wird es keinen verwundern, wenn dem Handel eine Bedeutung zukommt, die auf dem Festland nirgendwo gefunden werden kann.

Der Gott selbst ähnelt in vielen Dingen Rhodariad, jedoch findet das Handwerk, das den Meisterwirker in den Mittlanden so unabdingbar begleitet, auf der Insel nicht einmal Erwähnung, was bei Unwissenden für Verwirrung sorgen wird. Statt dessen wird er als meisterlicher Händler, als König des Feilschens und Herr der tausend Listen verehrt, der immer wieder zu seinen Gunsten den Wettstreit entscheidet. Auch Khorad kennt keine Priester, jeder Händler huldigt ihm des Tages durch sein Tun, und es scheint, als seien Orden wie Kirchen, wie sie in den Mittlanden nahezu allerorten zu finden sind, auf der Insel unbekannt.

Glosse

Dies hörte ich bei einem Handel zweier Nujel'mer, Gerold Hartenwald, Bruder des Ordens des Lohaire:

- "Weh mir! Meinen Untergang willst Du sehen, verehrter und dreifach gepriesener Freund! Mit diesem Preis vermag ich nicht einmal meine alte Mutter zu speisen, und diese isst seit viermal vier Jahren nur mehr Brei aus Khirlach, denn sie besitzt keine Zähne mehr. Habe Erbarmen mit ihr!"

- "Dein Geiz beschämt Dich, Harud, ist doch in der ganzen Stadt bekannt, welchen Reichtum Du in Haus und Schmuck besitzt. Genügt all dies nicht, Deine Mutter zu ernähren, schließt Du wahrlich schlechten Handel ab für Speisen. Und diese Wasserpfeife ist schlechte Arbeit, sieh die Blasen in dem fleckig gefärbten Glas. Sieh, wie das Mundstück sich bereits löst. Doch, bei Khorad, mein Bruder hat sie gesehen, und da er schwach im Geiste ist und leichtgläubig, so will er diese, trotzdem bei Jalaf in der Straße der sechs Jhakir'ai eine ungleich wertvollere zu finden ist; ich vermochte ihn noch nicht eines Besseren zu überzeugen. Doch werde ich es weiter tun, denn dreißig Goldstücke sind ein viel zu hoher Preis! Ich gebe Dir fünf dafür."

- "Fünf? Willst Du mich verhöhnen, der die besten Handwerker Nujelm's besitzt? Sieh die Verzierungen des Bauches, sie sind aus reinstem Gold! Zwölf Sklaven habe ich drei Nächte arbeiten lassen, um all die Formen in ihrer edlen Gestalt dem Leben treu nachzubilden! Ist sie nicht prachtvoll? Und was Du Flecken nennst, ist Schmuck! Teuerster Farbsand aus den Höhlen zu Al'Rhanid wurde untergemischt um diese feinen Muster zu bilden. Aber wenn Du dies nicht einmal erkennst, ist sie an Dir verschwendet. Doch Dein Bruder dauert mich, und so würde ich sie, ihm allein zuliebe, denn Du vermagst sie nicht gebührend zu achten, für achtundzwanzig goldene Münzen lassen."

- "Achtundzwanzig? Wofür, bei den göttlichen Geschwistern? Ich lasse meine Sklaven dieselbe für zwei fertigen und gewinne noch dabei..."

Kunde der anderen Götter wird mit Gleichmut, selten mehr, sei es Missfallen oder Interesse aufgenommen, und den genannten keine Bedeutung zugemessen. So verschlossen die Nujel'mer Gesellschaft den Fremden ist, so geschlossen ist auch ihr Glaube. Man vermeint, bei ihnen weder Platz noch Not für weitere der Hohen zu finden. Es scheint uns abschließend, dass die Götter in der Tat Abkömmlinge der unseren seien, doch über die Jahrhunderte ihre Bedeutung gewandelt haben, wie auch ihre Namen. Doch fehlt uns der letzte Beweis dieser Dinge, so dass Du, Lesender, sie mit Vorsicht betrachten sollst. Auch die geübtesten Geister können fehlen.

über andere Dinge

Das Himmelskraut hat bereits kurze Erwähnung gefunden und soll hier weiter beschrieben werden, ist sein Ursprung - wenn auch nicht es selbst - doch einzig auf dieser Insel zu finden. Unter vielerlei Namen wird es auf der Alten Welt genannt, die häufigsten sind dabei das Himmelskraut, der "Blautraum" und, auf der Insel selbst, "Naishonar", was in etwa heißt, "das, welches sehen lässt". Aus einer Pflanze gewonnen, die von den ar'Jhaladin "Chishes" genannt wird - eine etwa eine Elle hohe, kräftige Blume mit leicht gefiederten Blüten von der Farbe des klaren Himmels und stacheligen Blättern in dunklem Grün, kann bereits diese durch Geruch oder Berührung Trugbilder hervorrufen. Dies umso mehr, je weniger man den Umgang mit der Pflanze gewohnt ist.

Von Sklaven - und einzig von diesen - wird die Pflanze, die außerhalb der Stadt auf weitläufigen äckern angebaut ist - geerntet und anschließend an unbekanntem Orte weiterverarbeitet. Uns ist nichts über die genauen Schritte bekannt, in denen das Chishes gewandelt wird, jedoch muss Trocknung und Zermahlen darunter sein, denn die häufigste Form, in der sich das Rauschmittel schließlich verkauft findet, ist die des Pulvers. Besonders jenen, welche die Insel zum ersten Male betreten, wird so auch zuweilen in der Stadt nahe den äckern der leichte, süßliche Geruch auffallen, der von dort herüberzieht - und nicht immer ohne Wirkung bleibt, auch wenn die ar'Jhaladin selbst wohl eine gewisse Unempfindlichkeit besitzen. Gehandelt wird das Naishonar nahezu immer im Verborgenen, sei es auf Festen, in speziellen Räumlichkeiten, oder auch anderweitig unter der Hand. Dies ist wohl einer der Gründe, wieso nicht einmal der Herzog von Taresien weiter dagegen vorgeht.

Namenlose Glosse

"Es wird jedoch auch gemunkelt, dass der bedeutendere Grund für das Dulden das Verlangen mehrerer hoher Höflinge nach dem Himmelskraut sei..."

Als Pulver, häufig dem Weine beigegeben oder auch in Speisen, zuweilen selbst in Salben zu finden, wird der Blautraum zumeist genommen. Doch soll es auch einige andere Arten der Anwendung geben. Die ärmeren kauen mitunter die Blütenblätter, was nicht ohne Gefahr ist, und zum vollkommenen Tode führen kann. Der Rausch setzt unmittelbar nach der Aufnahme ein und ist von hoher Stärke.

Berauschte sehen sich als unbelebte Dinge oder Wunderkreaturen, meinen all ihre Sinne ins Unendliche gewachsen alswie verschmolzen zu sehen, und vermögen so Farben zu riechen oder Töne zu schmecken; sie erstarren zuweilen ganz und gar in der Betrachtung einer nun vollkommen anderen Welt. Auch stellt sich ein allgemeines Wohlgefühl ein, welches sich bei den einen in stillem Genuss, öfter jedoch in großer Geschwätzigkeit äußert, und schon so mancher hat im Rausche erzählt, was ihn später bitter reute.

Dinge und Wesen werden erblickt, die nicht existieren, in andere Sphären geschaut, die voller Wunder sind, und vermeintlich die tiefsten Rätsel der Welt erkannt und gelöst.

Frauen scheinen für all diese Wirkungen weniger empfänglich zu sein als Männer, und magisch Begabte fallen dem Rausche eher anheim als solche, die ohne arkane Fähigkeiten sind.

Es scheint auch das Gemüt des Berauschten Einfluss zu finden, denn der Trübsinnige oder Verzweifelte wird öfter grausame Anblicke erleiden als der Fröhliche, und sich auch öfter gelähmt vor Entsetzen in einem lebendigen Schrecken wieder finden als er. Jedoch besitzen wir keine Sicherheit, ob dies Zufall ist, Strafe der Götter, oder die wirkliche, einzige Ursache für das Grauen.

Wer sich selten des Naishonar bedient, wird kaum seinen Gefahren erliegen, jedoch ist es die Natur des Blautraums, dass er nach mehr fordert, umso stärker, als die Visionen und Eindrücke, die er beschert, glückliche sind. Und so sind es doch viele, die erst zum Sklaven des Himmelskrauts und schließlich von ihm zerstört werden.

Ist sein seltener Nutzen auch ohne Harm, so wird der häufig Berauschte erst seine Seele an das Naishonar verlieren und schließlich auch seinen Körper. In den dunkleren Gassen und Winkeln der Stadt finden sich denn auch so manche jener bemitleidenswerten Gestalten, die, zusammengesunken und aufs äußerste geschwächt, geistlos am Boden sitzen, während ihnen unablässig schwarzes Blut in dicken Strömen aus der Nase dringt. Und auch unter den Sklaven, die Anbau und Wandlung vornehmen leidet so mancher darunter, und stirbt auch bald daran.

Selbst für die, die den selteneren Rausch bevorzugen, liegt jedoch einige Gefahr darin, im ständigen Gedanken an seine Wohltaten die wichtigen Dinge des Lebens zu vergessen und somit zu vernachlässigen, oder gar dunkleren Wünschen anheimzufallen...

über die Sprache

Wenig wissen wir über die Sprache der Insel zu sagen. Hart klingt sie zumeist und ungleich den Sprachen der Mittlande, ein Zischen und Krachen, wie es ein Wanderer nannte, das eher an mahlenden Sand oder Sturmwind gemahne als an die äußerungen menschlicher Wesen. Und so sollen hier auch nur einige der wichtigen Wörter zu finden sein, denn den Klang vermag nur ein Gott in einem Buche festzuhalten. Die Zunge der Nujelm'er jedoch, Lesender, lernst Du einzig auf der Insel in ausreichendem Maße. Und willst Du dies, so begib dich dorthin und lausche wohl.

Wenn ein ar'Jhaladin Dir Zustimmung bedeutet, so sagt er "shakh", und es klingt wie ein herabfallender Stein. Lehnt er dir ab, wird er "heshoth" sagen, und Du sollst nicht weiter darauf dringen. Und spricht er "rashad" zu Dir, so grüßt er Dich, wie einer der Mittlande Dir der Götter Segen entbietet. Der "Az'Rhai" ist der Herrscher der Insel und der Herr des größten Palastes dort. Sehen wirst Du ihn kaum jemals, doch ehren sollst Du ihn, als wäre er Dein Fürst, denn die Missachtung seiner wird grausam geahndet. "ar'Jhaladin", was fließend über die Zunge rollt, nennen sich die Städter der Insel, und das heißt "die Beschenkten", wie sie sich von Khachyra beschenkt sehen, der Freudenspenderin und ihrer göttlichen Herrin. Vor dem, was sie "Ishud" nennen, sollst Du Dich hüten, denn selten einmal wirst Du nicht die grausamen Folgen ihres Gesetzes tragen, und dies ist es was sie damit meinen.

Fast alle Reisenden kommen, um zu handeln, und weil die ar'Jhaladin dies lieben, ist es das, was sie am meisten und mit Freuden tun - "Telach" nennen sie es, und sprichst Du es wohl aus, magst Du Dir ein wenig Achtung verdienen. Diese heißen sie "Rikh" und es ist die höchste Gier des Lebens eines jeden Nujel'mers, bedeutet sie doch unendlich mehr als auf dem Festlande.

Wundere Dich nicht, wenn man Dich allerorten "Shaishar" heißt, sondern nimm es hin. Mag es auch eine Beleidigung sein - und dies ist es, bedeutet es doch auch "Dummkopf" oder "der, der kein Wissen besitzt" - so schützt es Dich vor den Fehlern, die Du unweigerlich begehen wirst. "Fremder" ist die Bedeutung, die Dir ein ar'Jhalad nennen wird, fragst Du ihn danach.

Hörst du "Ochol", so fliehe, denn so düster es klingt, so düster ist auch was es heißt - der Blutrotz, die Geißel der Naishonajared, derer, die dem Himmelskraut mit Leib und Seele verfallen sind, wird so genannt und Ekel wirst Du zurecht empfinden, bist Du einer solch verlorenen Seele einmal angesichtig.

Nur wenig ist dies, doch soll es genügen, denn nur das Buch der äonen vermag, vollkommenes Wissen zu spenden. Was wir geringen Diener Lohaires errangen, ist nur ein kaum staubkorngleicher Bruchteil solchen. So sei es dennoch dem Herrn des Wissens anheimbefohlen in der Hoffnung, einst mehr zu erreichen auf unserem Weg, zu Ehren Lohaires und zum Wissen der Welt.

Erfahren von Ungezählten, aufgeschrieben von Bruder Randol Tiefensee, vom Orden des Lohaire, am fünften Tage des vierten Mondes, zu Yew.

Andere Berichte

Aus dem Itinerar Bruder Aescolos' aus Trinsic von der Heiligen Kirche des Sonnenstrahls

"... und Wanderer, führt Dich Dein Weg auf ein Schiff gen Nujel'm, so prüfe Dein Gewissen, eh' Du den Fuß auf seine Planken stellst. Mannigfach sind die Versuchungen für Körper und Geist, denen Du ausgesetzt sein wirst, und bist Du Deiner Stärke nicht sicher, so betritt es, um der Götter willen, nicht!

Schätze sind dort zu finden, wahrlich, in Wissen wie in Wert - nicht umsonst nennen sie es "die Goldene Insel". Und doch ist die Gefahr für den Glaubensschwachen, den Eitlen, den Gierigen, um ein Vieles größer noch als der fernen Sagen entstammend scheinende Reichtum, der dem Eiland prachtvolle Feste, edle Bauwerke, und Geschmeide ohne Zahl beschert.

Lüge ist die Insel, und Trug, und der größte ist das Versprechen, alles zu finden, alles zu bieten. Denn das eine was die Seele wahrlich sucht, das meiden nur allzu oft sie auf ihrer Suche nach dem, was sie Glück glauben: Die Wahrheit.

Kein würdiges Ziel für den Pilger, es sei denn als hohe Prüfung der eigenen Standhaftigkeit..."

Ein Söldner erzählt in einer schäbigen Dorftaverne einer Schar unterschiedlichster Zuhörer, die gebannt lauschen:

"... das habt Ihr noch nicht gesehen, Männer. Weiber wie dort.. dafür gäb' ich meine Alte dreifach her!" Die Erwähnte kichert leicht und ein wenig zu schrill, was der Erzähler großzügig übergeht. "Aber sie wollte nicht mit mir kommen, die dunkle Schöne... meinte, kein Reich der Welt habe ihr Besseres zu bieten als die Goldene Insel. Sarisha, so war ihr Name, und wenn sie sprach, so klang es wie der Wind, der über die Wüste streift..."

Für einen Moment wird seine Stimme fast traumverloren, ehe er der Poesie ein umso dreckigeres Lachen folgen lässt.

"Was wir in den Nächten getrieben, das bleibt besser ungesagt... aber, Männer, ich hätte nicht gedacht, dass es möglich ist, was sie mit ihren...", ein betontes Husten irgendwo aus der Menge lässt ihn abbrechen. Der großgewachsene Mann reibt sich mit seinem schmierigen ärmel über das Gesicht, wobei er den bereits vorhandenen Schmutz großzügig verteilt und räuspert sich, um mit kaum verminderter Lautstärke weiterzusprechen.

"Nun, wir hatten unser Vergnügen, das könnt ihr mir glauben. Ha! Und sie war stolz, STOLZ darauf, was sie alles vermochte, sie zählte jede einzelne ihrer Fähigkeiten mit lauter Stimme auf! Behauptete, es sei ihr froher Dienst an ihrer Göttin... Cha...Chacra oder wie auch immer deren barbarischer Name lautete,. Er war mir gleich, ich wollte ja auch nicht die Göttin, ich wollte ihre...", wieder dezentes Husten. Diesmal gefolgt von einer anderen Stimme, einer jungen, aufgeregten, weiblichen: "Erzähl uns von den goldenen Dächern, Damos! Erzähl von den Händlern, von ihren Schätzen!"

"Hrm.. die Dächer.. ja, das war eine Pracht! Einige waren mit blankem Gold gedeckt. Schien die Sonne darauf, und das tat sie meistens dort auf der Insel, dann konnte man beinahe erblinden in ihrem Glanz. Das sind Schätze! Das sind Herrscher, nicht so wie hier, die ihren Reichtum wie der Geizhals im Verborgenen hüten." Das raue Lachen des Mannes bellt durch den vom Feuerschein erleuchteten Raum. "Selbstredend haben ich und Flanar versucht, des Nachts auf eines dieser Dächer zu steigen und ein Stück davon mitzunehmen... zur Erinnerung an ihre Gastfreundschaft", wieder das bellende Lachen, was aber sofort verebbt, und er setzt hinzu "Tja... Flanar genießt die nun immer noch, wenn er nicht bereits in Yahánes Hallen eingefahren ist - sie haben ihn mit einem wohlgezielten Bolzen heruntergeholt. Dass er zu langsam ist, hatte ich ihm schon vor Monaten gesagt." Betretenes Schweigen, obwohl weder die Geschichte unbekannt, noch der Erwähnte besonders beliebt war.

"Nun, mich haben sie nicht bekommen. Aber auch nur, weil ich noch am selben Tage ein Schiff gefunden habe, das mich von der Insel brachte. Ihre verdammten Wachen, sie hätten mir beide Hände abgehackt, als Geringstes. Nujel'm mag schön sein und reich, aber Götter! Was war ich froh, als ich von dort entkommen war..."

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