Willkommen! Anmelden Registrierung bei TheOldworld

Wirr fielen ihr die rotbraunen Locken in die Stirn, während sie...

Samira Brindal
27. Juni 2013 17:45
... sich über ihr Buch beugte. Der wache Blick ihrer braunen Augen glitt unermüdlich über die Worte, die Zeichnungen, die Formeln. Als hätte er kleine unsichtbare Hände, schien er jedes dieser Worte ganz genau zu betasten, zu erforschen, hin und her zu drehen und schließlich in die unergründliche Dunkelheit hinter den leicht geweiteten Pupillen hineinzuziehen.

Ein möglicher Beobachter dieses Geschehens hätte sich fragen können, wie es kam, dass die Zeichen nach solch einer intensiven Berührung nicht spurlos vom Papier verschwanden, sondern sogar den häufigen Wiederholungen jener langsamen Prozedur geduldig standhielten.

Wenn mehrere Wörter auf diese Weise in der wissbegierigen Dunkelheit verschwunden waren, kam es vor, dass sich die glatte Haut der Stirn in nachdenkliche Falten legte oder dass die weichen Lippen sich murmelnd rührten oder angestrengt zusammenpressten. Manchmal geriet auch das ganze Haupt in Bewegung, das Kinn zuckte dann unwillkürlich nickend in Richtung des schlanken Halses und als Folge dieser plötzlichen Bewegung lösten sich weitere Strähnen aus dem unordentlich mit einem violetten Haarband zusammengefassten, lockeren Haarknoten auf ihrem Kopf und wippten schwungvoll und dennoch gänzlich unbeachtet vor dem jungen Gesicht herum, das gleich wieder in höchster Konzentration verharrte. Nur dann, wenn eine der übermütigen Locken es wagte, den emsig arbeitenden Blick zu stören, hob sich eine schmale Hand und strich den Übeltäter hinter das hübsche, runde Ohr zurück.

Seit Tagen verbrachte Samira Stunden in dieser Haltung. Sie saß mit gekreuzten Beinen auf ihrem Bett, so dass das Licht, welches schräg hinter ihr durch das Fenster hineinfiel, die Seiten der verschiedenen Bücher erhellte, die abwechselnd auf ihrem Schoß lagen und von ihren hungrigen Augen durchforstet wurden.

Auch an diesem Tag saß sie schon einige Stundenglasumdrehungen so da und lernte. Ein unangenehmes Ziehen in den Knien, dem Rücken und den Schultern wies sie seit geraumer Zeit darauf hin, dass diese Arbeit ihren Tribut fordern würde, doch sie drängte den Schmerz zur Seite und richtete all ihre Aufmerksamkeit weiter auf ihre Notizen und die alten Schriften, die sie sich in der Konzilsbibliothek ausgeliehen hatte.

Welche Syllabeln verwendete man, um seinen Gegner zu schwächen, seinen Verbündeten zu stärken einem Wesen Mana zu entziehen? Wo wuchs die Alraune? Welche Wirkung wurde der Henkerskappe zugesprochen, für welche Applicatio brauchte man diesen Pilz und in welcher Menge? Welche Bedeutung kam dem Fokussieren zu, welche Faktoren waren zu berücksichtigen?

Die verschiedenen Fakten und Annahmen begannen sich in ihrem Kopf zu drehen, vermengten sich zu einem grauen Einheitsbrei und begannen sich gegenseitig zu verwirren und aufzulösen. Aus diesem konfusen Nebel heraus blickte sie plötzlich wieder das weise Auge des Drachen an. „Du bist würdig.“

Die dunkelbraunen Augen schlossen sich, die Hände klappten das derzeitige Buch mit einem leisen Geräusch zu, legten es zur Seite, der leicht gebeugte Rücken straffte sich, schlanke Finger strichen über die müden Augenlider, massierten die klopfenden Schläfen, Lungen füllten sich mit Luft, als der Mund sich zu einem Gähnen öffnete.

Samira rieb sich nochmals über ihr Gesicht, als wolle sie sich wecken. Dann erhob sie sich. Genug für den Moment. Sie brauchte eine Auszeit. Erst jetzt nahm sie den nagenden Hunger wahr, der in ihren Eingeweiden rumorte. Sie würde bei Ulfan etwas zu sich nehmen und dann zum Konzil aufbrechen, um später dort weiterzulernen. Vielleicht traf sie Constantin dort an oder Nelene! Und auf dem Weg dorthin würde sie bei Xanatos vorbeischauen. Zufrieden packte sie ihre Bücher ein und machte sich auf den Weg.
ThemaAutorAngesehenDatum/Zeit

Wirr fielen ihr die rotbraunen Locken in die Stirn, während sie...

Samira Brindal22727. Juni 2013 17:45



Aktive Teilnehmer


15 : 0 15 Gäste