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Abhärtung

Lilja
15. Dezember 2013 15:59
Die Wärme verließ ihren Körper mit jedem Ausatmen. Ihre Haut hatte die selbe Farbe, wie der Schnee unter ihren nackten Füßen angenommen.
Sie spannte ihren Körper an, um das Zittern zu unterdrücken, das eingesetzt hatte, als sie ihr warmes Heim verlassen hatte. Sie fühlte, wie die kalte Luft ihren Körper durchströmte und ihre Haut umgab wie eine Hülle aus feinen Nadeln.
Lilja wurde ruhig. Und wartete. Ihre Hände hielten den Bogen fest, waren wie verschmolzen mit dem bläulich schimmernden Holz. So verharrte sie hinter den schneebehangenen Bäumen und lauerte ihrer Beute auf.

Die Worte des Bärenmenschens verhallten in ihren Ohren...“verweichlicht“... Aye, das war sie geworden. Der Kamin im Haus spendete Wärme, die Speisekammer war bis zum Bersten gefüllt mit allerlei Leckereien, die Zyrian woher auch immer besorgt hatte. Damit hatte der Winter jeden Schrecken verloren. Lilja schätzte die Bequemlichkeit ihres Lebens im Bund. Ihr fehlte es an nichts.
Und dennoch an allem.
Einsam war sie geworden, so einsam, dass sie selbst die seltene Anwesenheit des Bärenmenschens als angenehm empfand.
Ein Warten hatte in ihrem Geist eingesetzt. Ein Warten auf Rasradin. Ein Warten auf jemanden, mit dem sie die Güte ihrer dunklen Göttin teilen konnte. Ein Warten, das sie nicht mehr aushielt. Sie musste wieder lernen, sich selbst zu genügen, die Blutbuße für Shelestel allein zu verrichten und darin ihr Heil zu finden.
Auch deswegen hatte sie ihr warmes Heim mit nur einem dünnen Kleid bekleidet verlassen und war auf die Jagd gegangen. Weil ihr Körper lernen musste, die Kälte als einen Teil von ihm anzusehen. Weil sie den Winter wieder lieben lernen wollte, so wie sie es früher stets getan hatte. Weil sie das Raubtier in ihr wieder frei lassen wollte, hier im Winterwald, wo es ungestört toben konnte. Wo die Gerüche seiner Opfer nicht mehr durch den Wald getrübt wurden, weil der Schnee nun jeden Geruch sondierte.

Ihre feinen Ohren vernahmen ein Rascheln und sie schnellte herum, ließ den Pfeil aber noch nicht los. Es war nur ein Zweig, der dem Gewicht des Schnees nicht mehr stand halten konnte und abbrach. Sie atmete wieder langsam aus und entspannte die Sehne.
Ihre Augen glitten langsam über den im Mondlicht funkelnden Schnee, über die nun so sanft erscheinenden Bäume. Die Welt hatte ihre Grausamkeit verloren, ihre scharfen Formen und Kanten lagen tief begraben unter dem kalten Weiß. Ein Lächeln legte sich auf Liljas Lippen. Sie entspannte sich für einen Moment und ließ das Zittern zu, das ihren Körper sogleich überzog.
Sie würde lernen, im Winterwald zu Hause zu sein. Sie würde lernen, die Kälte als ihre Rüstung zu tragen und eins zu werden mit dem Winter.
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Abhärtung

Lilja17815. Dezember 2013 15:59



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