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Nachwehen

Munira Claritas
13. Oktober 2020 07:44
Erst, als Shaina weg war, gestattete Munira sich, der Erschöpfung nachzugeben. Oberflächlich geheilte Wunden schwelten überall in ihrem Körper. Ihre Augen wurden glasig von der Fieberhitze.

Sie schleppte sich zu der Quelle und wusch das Gesicht mit dem eiskalten Wasser, das ihr heißes Antlitz angenehm kühlte. Alles war zu schnell gegangen. Sie musste die Ereignisse noch einmal durchleben. Zwei Krieger und eine Priesterin, drei Kultisten auf der einen Seite. Auf der anderen Seite Shaina und sie. Zwei Hexen, zwei Phiolen. Unerschrocken und tapfer hatte ihre Schwester sich dem Hass entgegengestellt. Hätte sie sie doch nur schützen können …

Eine Handbewegung, ein Ruf. Der Boden bricht auf und ein riesiger Baumwall wächst um die Gruppe, die mächtigen Baumkronen gen Himmel strebend. Die Macht der Göttin erhebt sich als Naturgewalt. Munira sucht Shaina, sie will den Kreis verlassen und die Angreifer damit, doch der Weg ist versperrt. Blitzende Klingen, tanzende Lichter, so schnell, dass ihr Blick nicht folgen kann. Ein Stich, er gleitet mühelos in ihre Seite. Schreie ihrer Schwester. Der Schmerz tritt eine Sekunde später ein, beißend, schneidend, brennend. Der nächste Stich, ein Hieb, ein Stich, grelle Lichter vor ihren Augen, Schmerz, der ihren Körper durchflutet, explodierendes Feuer. Es frisst sie von innen auf, ihr Körper gibt nach, übernimmt ihren Geist und zieht ihn in willkommene, tiefe Schwärze. Die Göttin ist hier, einen Moment spendet sie Trost. Vollkommene Leere, nichts. Die Dunkelheit weicht einem zähen Nebel, sie wird hinabgestoßen auf den harten Boden, zurück in die kalte Wirklichkeit, ferne Stimmen, schleierhafte Umrisse. Neben Ihr eine Gestalt, die ihr Blut zapft, als wäre sie ein Weinhahn. Ekel überfällt sie. Ihr Körper will ihr nicht gehorchen, der Schmerz ist zurück, mit ihm überwältigende Übelkeit. Sie zwingt ihren Geist, das Kommando zu übernehmen, den Schmerz zu unterdrücken. Ihr geschundener Leib tut wie geheißen, der Preis wird später kommen. Sie spuckt der Gestalt entgegen, ein letzter Ausdruck der Abscheu.

Was hätte sie tun können? Hätte sie dem Angriff standhalten können, müssen? Wieder wallte die unangenehme Hitze in ihrem Körper auf. Leise Übelkeit überkam sie, vielleicht war es die Entzündung, vielleicht die Schmach. Mondstrahlen fielen auf ihr Kleid und tauchten die blutverkrusteten Flecken in ein hässliches Licht.

Munira biss die Zähne zusammen, als sie das Kleid über den Kopf streifte und einige Wunden dabei erneut aufbrachen. Das Mondlicht wanderte liebkosend über ihren Körper, verschaffte Linderung trotz der eiskalten Nacht. Sie spürte die Kälte kaum, das Fieber hatte von ihr Besitz ergriffen. Langsam schlossen sich Wunden wieder, etwas ihrer Kraft kehrte zurück. Layantea war eine liebende Göttin, die auch jetzt ihrer Tochter nur Fürsorge entgegenbrachte. Kein strafender, fordernder Gott, nur Verständnis für ihre Dienerin in all ihrer Schwäche.

Sie hegte keinen Zweifel an ihrem Glauben, sie gehörte der Göttin, jetzt und immerdar. Doch ihr eigener Rat, den sie dem Arcomagus gegeben hatte, klang jetzt in ihren Ohren. Du bist zuerst Gladios und erst dann ein Erzmagier. Und was war mit ihr? An welcher Stelle war sie ganz und gar Hexe geworden und hatte Munira darüber vergessen? Einen Augenblick lang fühlte sie sich einsam und schämte sich im gleichen Moment dafür. Die Göttin war bei ihr; auch ihre Schwestern waren nicht fern, sie spürte ihre Präsenz. Und doch … Wer war Munira, ohne die Hexe in ihr? Wer würde ihren Schmerz mit ihr teilen?

Eine schimmernde Träne lief ihre Wange herab und tropfte ins Wasser der heiligen Quelle, als sie, immer noch fiebrig, begann, das Blut aus dem Kleid zu waschen.



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 13.10.20 12:23.
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Munira Claritas19113. Oktober 2020 07:44



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