Wieder vergehen einige Herzschläge, während die Worte des Schreibers in der Düsternis verklingen. Abel Stormrise mag zunächst nicht erkennen, ob der Erzmagier nachdenkt oder seine Aufmerksamkeit schlicht wieder dem Pergament schenkt, welches er in Händen hält. Erst das leise Rascheln jenes Schriftstückes durchbricht die unangenehme Stille, als es wieder zusammengerollt und ins Regal zurückgelegt wird. Sodann wendet sich der Erzmagier zur geschlossenen Türe, vor der der Schreiber noch immer verharrt. Seine rötlichen mit feinen Adern durchzogenen Augen blitzen gefährlich auf, als er den Schreiber von oben bis unten, wie eine ausgehungerte Raubkatze, mustert.

„Nun gut, Schreiber. Ihr könnt von Glück sprechen, dass Vergebung eine meiner größten Stärken ist. Mir ist bereits in den vergangenen Mondläufen aufgefallen, dass Ihr gerne mal das Denken für Andere übernehmt und dabei Eure eigenen Aufgaben vernachlässigt.“

Der Drow macht eine einladende Geste zum glatt polierten Schreibtisch aus dunklem Marmor. Der Blick des Schreibers folgt der Geste, schwenkt wieder zum Erzmagus, in dessen Mine er eindeutig keinerlei Duldung eines Widerspruchs erkennt. Anders als üblich steht an diesem Tage nur ein einziger gepolsterter Stuhl am Tisch, auf dem für gewöhnlich nur der Erzmagus selbst Platz nimmt. Zögerlich setzt sich Abel Stormrise in Bewegung. Die dunkle Tischplatte ist mit hell schimmernden Spalten marmoriert, die in der Gesamtkomposition den Eindruck eines heftigen Gewitters erweckt. Ein leeres Stück gegerbter Rothehaut, welches zur Größe eines Stückes Pergaments zurechtgeschnitten wurde, sowie eine Schreibfeder liegen dort bereit. Ein Tintenfass oder ähnliches sucht der geschulte Blick des Schreibers vergeblich.

„Vielleicht habt Ihr Recht und ich habe zuletzt etwas zu verschlafen gewirkt. Daher muss ich nun ein Schreiben an das Konzil zu Moonglow zu Händen des Dekans Rabenbart aufsetzen, welches Ihr in Eurer Funktion als Schreiber niederschreiben dürft. Bevor Ihr nun fragt oder gar aufspringt, um Eure eigenen Schreibutensilien zu holen: Eure Finger und Euer Arm bieten ausreichend Flüssigkeit und die Feder ist spitz genug eure sanfte Haut zu durchdringen. Also zögert nicht, sondern macht Euch ans Werk.

Dem Siegel zum Gruße Dekan Rabenbart,

wie Ihr wahrscheinlich bereits selbst feststellen musstet, gab es zuletzt kaum Kunde aus dem Konzil des ehemaligen Herzogtums Stolzenforst und dem Bund der freien Länder. Als Vorstand dessen bin ich dafür vollumfänglich verantwortlich und ziehe nun personelle Konsequenzen.

Hiermit entbinde ich Abel Stormrise von seinen Verpflichtungen als Schreiber des hiesigen Konzils.

Abel Stormrise hat für einen Menschen bereits ein beachtliches Alter erreicht. Es ist nur natürlich, dass in diesem Zustand seine motorischen und geistigen Fähigkeiten nachlassen. Zuletzt sind ihm vermehrt kleinere Fehler unterlaufen. Beispielsweise wurde die Notiz, dass die Adepta Valaria ihre Ausbildung abgebrochen hat, nicht weiterbearbeitet, sodass jene noch immer in der Adeptenrolle geführt wird.

In Anbetracht seiner wertvollen Dienste in den letzten Dekaden für das hiesige Konzil kann ich über derlei Fehler hinwegsehen, bin aber als Vorstand dazu verpflichtet entsprechend rechtzeitig gegenzusteuern, dass aus diesen kleinen Fehlerchen keine großen Fehler entstehen, die unwiderruflichen Schaden für das Konzil bedeuten könnten.

Um künftig weiterhin einen fähigen Schreiber vorzuhalten, bitte ich Euch Quill’plynnil aus Moonglow in das Konzil des ehemaligen Herzogtums Stolzenforst und dem Bund der freien Länder zu entsenden. Ich durfte Quill’plynnil als zuverlässigen und beflissenen Schreiber bei meinem letzten Aufenthalt in Moonglow kennenlernen. Ich bin überzeugt davon, dass er die großen Fußstapfen von Abel Stormrise nach einer eingehenden Einarbeitung gänzlich ausfüllen kann. Er kennt die Gepflogenheiten des Konzils zu Moonglow und bringt selbst einige Jahre Erfahrung als Schreiber mit. Darüber hinaus versteht der junge Drow neben Wort und Schrift auch die Zeichensprache des Volkes des Vorstands, was im alltäglichen Umgang deutlich von Vorteil ist.

Vlos'Drathir, Vorstand, Qu'el'Faeruk del Qu'ellar Vadaharr“

Mit diesen Worten endet das Diktat des Erzmagus, wobei der das Wort „Faeruk“ deutlich betont und sein Blick sich nahezu in den Schreiber bohrt.

„Sobald euer Blut getrocknet ist, werde ich mein Siegel unter dieses Schreiben setzen und Ihr werdet es nach Moonglow überbringen. Eure Hoffnung auf meine Großmütigkeit mag sich erfüllen. Ich erlaube Euch selbst zu entscheiden, ob Ihr Euer restliches Leben in den Dienst der arkanen Wissenschaft in Sorcere stellen oder Euch einen behaglichen Lebensabend in Moonglow oder einem sonstigen Ort Eurer Wahl bereiten wollt.“