Geldrion stand nachdenklich am Brunnen der Festung. Seine Gedanken waren bei Bruder Badruk, der an einem Tag einfach vor der Festung stand, abgerissen und ungepflegt und mit ernstem Gesicht.
Sie hatten lange gesprochen und Bruder Badruk hatte ihm erzählt, warum er seinen Posten bei den Bewahrern verlassen hatte. Er konnte es verstehen. Kompromisse machen, war nicht leicht und gerade auch dann nicht, wenn man seinem Ideal folgte. Wieder und wieder zählte Geldrion die Tugenden der Ritterschaft vor sich auf, seit er die Abschriften des Quintillius bekommen hatte, um sie auch als Unterweisungshilfe zu nutzen. Doch musste er selbst erst einmal dahinterkommen, wie weitreichend das alles war.
Er dachte über die Loylität nach, die zweite Tugend, die den Dienern des Stählernen von dessen göttlicher Mutter Ayanyeh mitgegeben worden war. Hatte Bruder Badruk diese Tugend verletzt? Er kratzte ein wenig an einem Stein des Brunnenrandes herum, nachdenklich seinen Blick über die Bucht hinüber zu der Behausung der Bewahrer sendend. Er hatte sich in ihre Rollen als Mitglied eintragen lassen und seinen Posten geräumt. Doch wem sollte die Loyalität in erster Linie gelten. Einem Mann wie Badruk sollte es vermutlich Agharam selbst sein und gerade den hatte er nicht im Stich lassen wollen.
Er schnippte einen Stein in die Tiefe des Brunnens und liess seine Gedanken schweben. Wie stand es um ihn selbst. Er stellte weder seine Loyalität zum Orden noch die zu Agharam in Frage, aber dazu gab es bisher keinen Anlass. Wie würde er sich entscheiden, wenn es darauf ankäme.
Plopp. Der Stein hatte die Wasseroberfläche erreicht.
Er konnte es so nicht beantworten und vielleicht sollte er es auch gar nicht können. Ein Ritter soll nie den Eid brechen, den er gegenüber seinem Gott, seinem Glauben oder seinem Lehensherren abgegeben hat. Nun, letzteres war für ihn als Ordenskrieger wenig relevant. Der Orden stand hinter dem Herzogtum und das würde wohl so bleiben, solange man sich dort nicht finsteren Mächten zuwenden würde. Dem Glauben gegenüber hatte er einen Eid geleistet, als er zum Ordensritter geschlagen worden war. Er war Mitglied im Schwertkreis, der Vereinigung der Glaubensbruderschaften und dem war er treu. Er blinzelte. Und das war Bruder Badruk eigentlich auch. Er hatte nicht seinen Glauben aufgegeben oder sich gar davon distanziert. Er übte ihn nur anders aus und von einem Loyalitätsschwund gegenüber Agharam konnte wohl ebenfalls keine Rede sein. Er war noch immer der gleiche Fanatiker, der er vor einem Jahr gewesen war. Nur würde er das wohl bald innerhalb dieser Mauern sein. Wenn es denn dazu kam. Der Subprior würde ihm wohl noch reichlich auf den Zahn fühlen.
Geldrion erhob sich vom Brunnenrand und ging zum Ausgang der Festung. Zeit den Wald zu prüfen. Diese schleimigen Kröten wollten einfach nicht verschwinden.