„Melba jetzt mußt du aber schlafen“, sagte die Mutter und strich dem kleinen Mädchen sanft über die wirren, schwarzen Locken. Das Mädchen kuschelte sich unter die Bettdecke und murmelte schon recht müde.“ Aber Mutter, erzähle mir noch eine Gute Nacht Geschichte, bitte, biiittteeee“, flehte sie.
Lächelnd nickte die Mutter und setzte sich zu ihr auf die Bettkante.
Eine halb abgebrannte Kerze tauchte das kleine, recht ärmliche Zimmer in einen wohligen Schein und zauberte tanzende Wesen an die Zimmerdecke und Wände.

Nachdem die Mutter kurz überlegte, welche Schlafgeschichte sie erzählen solle, sprach sie dann leise:

“ Es war einmal ein Mondstrahl und er wanderte durch die Dunkelheit weil der Tag die Nacht gerufen hat.
So wanderte er weiter, bis er einen Weg gefunden hat und ihn etwas Glitzerndes ansprach. Langsam näherte er sich dem Glitzerndem und hörte ein Rauschen“.
Melba richtete sich auf und fragte gähnend:“ Was war das für ein Rauschen Mutter?“.
„Nun mein Kind, es war das Rauschen von Wasser, einem wilden Wasser.“
Melba sank langsam zurück in das Kopfkissen und zog die Bettdecke bis zur Nasenspitze hoch.

„Der Mondstrahl glitt zu jenem Rauschen und erklomm ein hohes Ufer und ein breiter Gipfel tat sich vor ihm auf.
Alte Stämme, verworrene Wurzeln die sich umarmten erblickte er und vor ihm lag in tiefster Demut eine belaubte Wildnis aber irgendwie hatte alles seinen festen Platz. Nichts schien dem Zufall überlassen.
Und dann sah er zarte Linien von einem Baum, glänzend in einem Licht gehüllt und da wußte dieser Mondstrahl, dass seine Reise ein Ende hatte.
Sanft legte er sich auf das Geäst dieses Baumes und verschmolz mit ihm. In diesem Moment als das geschah, trug der Baum runde Früchte“.
„Mondapfelbaum“, murmelte Melba mit geschlossenen Augen und glitt sanft in einen tiefen Traum.
Leise flüsterte die Mutter Melba ins Ohr:
“ Ein Mondstrahl verschwand weil die Nacht den Tag gerufen hat. Doch der Baum, unscheinbar am Tage, ruhte geduldig bis der Tag die Nacht rief und der Mondstrahl von Neuem erwachte“.