Rhya jha'avijl
25. März 2023 22:31
Abhandlung zur Klassifizierung der arcanen Seiden, Band I: Allgemeine Einführung

Prolog

Vor einigen Monden tauchten auf Seandomhan vereinzelt Kleidungsstücke aus anscheinend sehr altem Gewebe auf, die ihrem Träger den Zugang zur Beeinflussung des arcanen Planums etwas zu vereinfachen scheinen, zumindest was die geistigen Kapazitäten der Beeinflussung des Trägers ohne die sonst früher nötige Erholung des Geistes angeht.
Eingehende Untersuchungen von Exemplaren der Materialien und die Lektüre alter Überlieferungen in Bibliotheken in allen Teilen Seandomhans sowie weitere Grundlagenforschungen lassen die im Folgenden beschriebenen Schlussfolgerungen zu.

Ad primo

Es scheint drei verschiedene Arten von gewebten, arcanen Stoffen zu geben. Alte Aufzeichnungen aus der Bibliothek in Moonglow deuten darauf hin, dass in grauer Vorzeit jene Stoffe unter den Namen sericum runae, sericum lunae und sericum stellae bekannt waren. Übersetzungen in die Gemeinsprache wären hier wohl etwas vergleichbares wie Runenseide, Mondseide und Sternenseide. Über den genauen Ursprung der Gewebe gaben die Aufzeichnungen jedoch keinen Hinweis. Die Herkunft des Materials muss demnach Gegenstand tiefgründiger Forschungen werden.

Das als sericum runae bezeichnete Gewebe ist von hellerer, dem Goldglanze ähnlicher Farbe, während das sericum lunae von hellgrauer Farbe, ähnlich der des Lichts von Trammel an einem Herbstabend ist. Die Farbe des sericum stellae erscheint noch etwas heller als jene vom sericum lunae und kommt dem Licht des Mondes Felucca in einer Nacht nahe der Sommersonnenwende nahe.

Ad secundo

Die drei benannten Gewebearten scheinen eine gewisse Adhäsionsfähigkeit zu einer feinen, silbrig glitzernden Substanz zu haben, die beim Auffinden in allen Gewebsarten zu finden ist. Auch über jene Substanz ist bisher nur wenig bekannt, zur Vereinheitlichung wird für sie in der Abhandlung zukünftig der Terminus pulvis arcana verwendet werden, gemeinhin wird die Substanz unter jungen Studiosi wohl auch als Arkanstaub oder arcaner Staub tituliert, was die grundsätzliche Natur des pulvis arcana jedoch nur oberflächlich beschreibt und bei Persona mit geringem Vorwissen wohl zu Missinterpretationen der Wirkung des pulvis arcana führen mag.

Das als sericum runae bezeichnete Gewebe scheint dabei die geringste Affinität der Wechselwirkung zum pulvis arcana zu zeigen während die Adhäsionsfähigkeit des sericum stellae am ausgeprägtesten zu sein scheint. Interessant dabei ist die Beobachtung, dass es bei der Untersuchung reinen pulvis arcana ohne Kontakt mit einem der serica keinerlei Kohäsionskräfte zu beobachten sind. Hier liegt also der Schluss nahe, dass es eine Wechselwirkung zwischen den serica auf der einen Seite und dem pulvis arcana auf der anderen Seite geben muss.

Ad tertio

Das pulvis arcana scheint von sich aus keinerlei Interaktion mit weiteren Stoffen einzugehen. So ist es sowohl in Wasser, Weingeist sowie Vitriolöl gänzlich unlöslich. Sowohl mit Wasser als auch mit Weingeist lassen sich feine Suspensionen herstellen, welche sich auch ohne Mühe auf die serica auftragen lassen. Das Auftragen im nassen Zustand beeinflusst die Adhäsionsfähigkeit der verschiedenen serica aber weder in positiver noch in negativer Weise, sodass stets ähnliche Mengen pulvis arcana vom den serica aufgenommen werden. Das Aufbringen einer Suspension von pulvis arcana in Vitriolöl hat auf die serica selbst negative Auswirkungen insofern, als dass, wie es bei Vitriolöl auch bei anderen Arten von gewobenen Stoffen der Fall ist, zu beginnenden Zerstörungen der serica an sich kommt. Es sei daher vor weitergehenden Experimenten in dieser Richtung ausdrücklich gewarnt und abgeraten.

Ad quartum

Interessant erscheint der Fakt, dass nach einer Behandlung der serica mit dem pulvis arcana sich letzteres kaum mehr aus dem Gewebe entfernen lässt. Selbst deutliche Anstrengungen in Form von mechanischer Bearbeitung zeigen hier wenigohDie bis keine Wirkung.
Ebenfalls als belegt kann angesehen werden, dass die Behandlung von sericum runae, sericum lunae oder sericum stellae mit profanen Farbstoffen keinerlei Auswirkungen auf die Wechselwirkungen mit pulvis arcana zu haben scheint und das Gewebe die genannten profanen Farbstoffe ausgezeichnet resorbiert. Es ist somit davon auszugehen, dass eine Behandlung der serica mit den bekannten Farbstoffen aller Art, sowohl jener tierischen und pflanzlichen Ursprungs als auch jener mineralischen Ursprungs, ohne etwaige Befürchtungen ob der Einschränkung der im Prolog dieses Exzerpts benannten Wirkungen auf den Träger, durchgeführt werden kann.

Ad quintum

Neben den bereits beschriebenen serica tauchten neben dem pulvis arcana Proben eines weiteren Gewebes auf, welches aber nur in sehr kleinen Stücken und niemals in Form von größeren Ballen zu finden zu sein scheint. Um eine eindeutige Abgrenzung zu den anderen Gewebearten zu gewährleisten, werden diese Proben weithin als sericum astralis oder auch Astralseide zu bezeichnen sein. Sericum astralis scheint einst als eine Art Rohmaterial für die anderen serica gedient zu haben, muss also weitere Schritte der Aufarbeitung durchlaufen haben. Es ist zu spekulieren, dass die bisher aufgefundenen Stücke sericum astralis unter Umständen auch Reststücke vom Verarbeitungsprozessen waren, was aber bis dato nicht eindeutig belegt werden kann. Sicher ist jedoch, dass sericum astralis im Rohzustand keine Wechselwirkung mit pulvis arcana zu haben scheint, noch lassen sich Rückstände von pulvis arcana in den Proben des sericum astralis nachweisen.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext der Fakt, dass jene sericum astralis allerdings geeignet scheint, zur Ausbesserung kleinerer Beschädigungen in allen der beschriebenen serica dienlich zu sein und sich die kleinen Stücke aus sericum astralis nahtlos in sericum runae, sericum lunae und sericum stellae einfügen lassen und nach vollendeter Verarbeitung die Eigenschaften des umliegenden Gewebes vollends zu adaptieren scheint. Das Zusammenfügen mehrerer Stücke sericum astralis zu größeren Gewebebahnen hat dagegen nach bisherigem Stand der Forschungen keinerlei nützliche Effekte erbracht. Somit ist davon auszugehen, dass jenes Gewebe zur etwaigen Schaffung neuer Kleidungsstücke gänzlich unbrauchbar ist und zudem nicht in den dafür potentiell nötigen signifikanten Mengen auffindbar scheint.

Eine genauere Analyse dieses Problems bedarf einer tiefergründigen, planaristisch-dweomerischen Betrachtung, deren Ausführung nicht Teil dieser allgemeinen Einführung sein wird, sondern in weiteren Band der „Abhandlung zur Klassifizierung der arcanen Seiden“ nochmals im vertieft behandelt werden wird.

Ad sextum

Der Ursprung der serica scheint mit großer Wahrscheinlichkeit bei den alten Völkern zu liegen. Die Wiederentdeckung alter, elfischer Ruinen auf ganz Seandomhan in enger, zeitlicher Korrelation mit dem Auftauchen der serica sowie es pulvis arcana steht, liegt dieser Schluss zumindest sehr nahe. Ebenso denkbar als Schaffer der serica wären das alte Volk der Trolle, die einst als geschickte Schaffer von allerlei magischen Rüstungen bekannt waren oder aber die Artha’in selbst, über deren Verbindung zum arcanen Gewebe sowie deren arcanen Fähigkeiten an dieser Stelle sicher nicht weiter eingegangen werden muss. Interessierten Studiosi et Collegi sei hier beispielsweise auf die Abhandlung „Mri'kul del Edonil (Abhandlung über das Siegel der Dämmerung)“ von Arcomagus Vlos’Drathir verwiesen.

Belege für die Beteiligung jener beiden Völker finden sich nach aktuellem Stand der Forschungen aber keine, somit bleiben jene Optionen als spekulative Möglichkeiten, die weiterer Grundlagenforschung bedarf. Jedoch tragen einige der Elfen in einer der kürzlich aufgetauchten Stätten eben jene aus den serica gefertigten Stücke. Aufgrund des enormen Alters der bereits entdeckten Stücke ist ein Ursprung im Schoße der jungen Völker jedoch auszuschließen.
Bisherige Versuche, die serica zu reproduzieren, sind allgesamt gescheitert. Der aktuelle Forschungstand muss somit davon auszugehen, dass eine Reproduktion der serica unmöglich scheint.

Ad septimum

Zweifellos ist festzustellen, dass die Wirkung von arcanen Künsten bei der Herstellung der serica unabdingbar war. Welche Applicatio hierbei genutzt wurde ist ebenfalls Gegenstand der Grundlagenforschung. In Anlehnung an die zur Behandlung von höheren Ledersorten aller Art heute gebräuchlichen Formula Uus Sanct Ylem lässt sich ableiten, dass aufgrund der spezifischen Wirkung beim Tragen der gefertigten Stücke aus sericum runae, sericium lunae oder sericum stellae möglicherweise die Formula Uus Wis Ylem während des Webprozesses zum Einsatz kam. Momentan scheint sich jene Formula durch Veränderungen des arcanen Gewebes aber nicht mehr reproduzieren zu lassen, oder die hierfür anscheinend nötigen hohen Paraphernalia stehen nicht oder nicht mehr zur Verfügung. Spekulativ möchte ich noch zu bedenken geben, dass aufgrund der im fünften Abschnitt beschriebenen Wechselwirkung zwischen den serica auf der einen Seite und dem sericum astralis auf der anderen Seite, welcher auch Äonen noch zu beobachten ist, die Rune Tym in der Applicatio zur Behandlung der serica möglicherweise eine Rolle gespielt haben mag.

Ad octavum

Wenn man jene Effekte nun aus Sicht der Planaristik, vor allem dem aus dem Blickwinkel des Teilgebietes der Dweomerik betrachtet, ergeben sich interessante Interpretationsansätze, wenn man von der Nutzung der Rune Tym beim Herstellungsprozess der serica ausgeht.
Wie bereits beschrieben scheinen die serica als eine Art Katalysator für das pulvis arcana zu fungieren. Wie bereits im fünften Kapitel erwähnt sollen jene Zusammenhänge in einem Ergänzungsband im Detail analysiert werden.

Ad nonum

Auch die Hermetik bietet weitere Forschungsansatzpunkte. Alte hermetische Aufzeichnungen deuten auf ein Phänomen hin, welches sich vor einigen Jahrtausenden ereignete und als lux origines, das Licht der Schöpfung, bezeichnet wurde. Näheres dazu wird in Bälde in einem bereits in der Verfassung befindlichen Abhandlung „erweiterte Theorien der Hermetik: Sternenkunde Band I, eingegangen.

Auch der Einfluss der Monde Felucca und Trammel während der Schaffung der serica mag einen weiteren Forschungsansatz bieten. Das Werk des Collegus Asur dhan Tiral „Grundlagen der Hermetik – Teil 1“ beschreibt den verstärkenden Einfluss der Monde auf einzelne Runen während bestimmter Mondphasen. Eine erste Deutung könnte darauf hinweisen, dass die serica möglicherweise bei einer Phase zwischen Halb- und Dreiviertelmond des Mondes Felucca bei gleichzeitigem Stand eines zu Dreiviertel erhellten Trammel am Nachthimmel geschaffen worden sein könnten. Ob die Kräfte der Mondphasen im Falle der Sternenkonstellation lux origines überhaupt eine Rolle spielten, bleibt wohl zunächst ebenfalls spekulativ.

Ad finitum

Durch die Komplexität und Vielschichtigkeit sind die Forschungen noch bei weitem nicht abgeschlossen. Jener Band I soll den aktuellen Stand der Forschung zusammenfassen und wird bei Erlangung neuer Erkenntnisse entsprechend fortgeschrieben werden.

Gegeben in der Stadt des Lichts,
im dreiundzwanzigsten Jahr nach der Schaffung des Siegels der Dämmerung
Rhya jha’avijl
Arcomaga
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Abhandlung zur Klassifizierung der arcanen Seiden, Band I: Allgemeine Einführung

Rhya jha'avijl19425. März 2023 22:31