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Winter...

Anatheya, Aspirantin der
Klagenden Schwesternschaft, Occlo
14. Dezember 2011 15:50
Anatheya stand im Schlafgewand vor dem offenen Fenster. Sie blickte in die graue Nacht hinein. Eine Stunde vor Sonnenaufgang. Es war die einzige Zeit des Tages, an der Anatheya eine Gemütsbewegung fühlen konnte.

Ein kühler Wind trug feinen Regen in ihr kleines Zimmer - Regen, der nachts unablässig rieselte und die Tage auf der Insel schwül machte.

Hinter dem Fenster konnte sie die Umrisse der grauen Wolken erkennen, die manchmal das schwache Licht der Sterne verschluckten. Zu ihrer Linken ragte der Hauptturm der Schwesternschaft hinauf. Ein Turm, der gegen den Pomp und den Glanz des Schlosses, das sich ein Stück weiter hinten erhob, fast schon beleidigend schlicht gehalten war.

Im Zimmer der Äbtissin brannte noch immer Licht. Oder wieder. Es lag zu weit oben, um direkt hineinsehen zu können. Die Äbtissin persönlich war es gewesen, die Anatheya als neue Anwärterin der Klagenden Schwesternschaft begrüßt hatte. Es war ein kühler Empfang gewesen, und doch war er herzlicher, als Anatheya es gehofft hatte. Warum sie hier sei, hatte die Oberin gefragt. "Ich bin hier, weil ich hier bin.", war Anatheyas Antwort gewesen. Damit war die Sache geklärt.
Als Anatheya durch das Kloster geführt worden war, hatte ihr die Äbtissin erzählt, der letzte Besuch aus Stolzenforst sei ein gewisser Karan von Dings gewesen, ob sie ihn kenne. "Ja, ich bin Karan von Dings begegnet", hatte sie ihr mit einem fahlen Schmunzeln erwidert. Er habe während seines Besuches ein sehr langes Gespräch mit der Äbtissin geführt, die den Orden vor ihr geleitet habe. Danach sei er spurlos verschwunden - und die alte Äbtissin habe geschwiegen und niemals erzählt, worüber sie geredet hatten.


Ein Rabe kreiste krächzend vor dem Fenster. Das tat er jeden Tag. Er schien auf etwas zu warten.

Es gab verschiedene Aufgaben im Kloster - und Anatheya war der Küche zugeteilt worden. Das Frühstück allein war aber nicht der Grund, weshalb sie schon wach war.

Der Rabe flog noch immer seine runden Bahnen...

Anatheya zog die Schublade ihres kleinen Schreibtisches auf, ohne vom Fenster weg zu gehen. Darin lagen lauter angefangene Briefe. Vielleicht waren sie das, worauf der Rabe wartete. Sie schob die Schublade wieder zu.
Nein.
Sie hatte ihren Ritter zurückgelassen und sie hatte nicht das Recht, ihm zu schreiben. Dass sie gut angekommen war, wollte sie ihm mitteilen. Banal, aber das war es, was sie ihm sagen wollte. Oder es war zumindest das, das sie ihm mit Worten auf Papier sagen konnte. Er wusste nicht einmal, wo sie war. Und was immer die beiden hatten, es war nun vorbei. Ob es nun ein Aneinanderklammern zweier Menschen waren, die einen Krieg auf sich zukommen sahen... oder der Wunsch nach Nähe... es war nicht von Bedeutung. Nichts war mehr von Bedeutung, außer das Kloster und Yahane.
Die Klagende Schwesternschaft zählte den Verlust der Welt, nicht deren Gewinn.
Es gab keine Verbindung mehr zwischen Anatheya und Skolden, es konnte keine geben. Die beiden standen noch nicht einmal auf dem gleichen Grund und Boden, es war so schwer vorstellbar, dass sie beide noch die gleiche Luft einatmeten... oder sogar Teil der gleichen Welt waren. Sie würde nicht wissen, ob es ihm gut ginge, sie würde kein Zeichen sehen, wenn er seinen letzten Atemzug machte. Er würde nicht wissen, ob es ihr gut ging. Er würde nicht hören, wenn sie nach ihm rief... es war also sinnlos, darüber nachzudenken...
Das Leben im Kloster war abgeschieden, Anatheya hatte nur wenig Kontakt mit den Leuten, die nicht im Kloster wohnten. Auch die Aufenthalte außerhalb der Klostermauern beschränkte sich auf die traurige Pflicht, die sich die Klagenden Schwestern auferlegt hatten. Hinter den Mauern wurde dennoch geflüstert. Von Geisterschiffen war die Rede. Von Untoten, die Boote steuern konnten und die kostbare Schätze mit sich trugen. Die Schätze waren weniger interessant, aber die Gerüchte über die Untoten verbreiteten Sorge. Mit dem Gleichmut der Klagenden Schwesternschaft aber wurde sich um das gekümmert, worum man sich kümmern konnte...
ThemaAutorAngesehenDatum/Zeit

Winter

Skolden Vandenberg38412. Dezember 2011 23:49

Winter...

Anatheya, Aspirantin der
Klagenden Schwesternschaft, Occlo
26114. Dezember 2011 15:50



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