Was nur machte an diesem Ort?
Was nur verlangten sie?
Was nur?

Er hatte doch so viel vor. So viele Aufgaben, so viel ... Ein Lächeln und das Bild der dunkeläugigen Schönheit, die er vor seiner Abreise gen Norden noch beglücken konnte.

Und nun? Stolzenforst war eine Katastrophe. Er kannte so viele schlimme Geschichten über das Land und hatte sie immer als übertrieben angesehen und jetzt stellte er mehr und mehr fest, dass sie wahr waren.
Orks streiften durch das Land der Herzogin, die jetzt Königin in Britain war, die Toten wandelten bei hellem Tageslicht auf den Angern, die für ihre ewige Ruhe bestimmt sein sollten. Die Leute brachen Versprechen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was es bedeutete. Der Tempel der Goldglänzenden Herrin war, wie er erfahren hatte, im Krieg vernichtet worden. Geschleift von Orks und als Munition für ihre Geschütze missbraucht. Zwar hatte es einen neuen Tempel bekommen, das neue Vesper, doch schien es ihm, als wären sie wirklich die einzigen hier, der Herrin Ayanyeh folgten, die überhaupt ihre Vertretung und ihr Wort in die Dunkelheit des Nordens bringen konnten.... Und nebenbei bemerkt, würde auch die Wärme, die ihr Auge im Süden dem Tag und der Nacht spendete, hier nicht schlecht tun.

Er seufzte und schob den Weinbecher, den er sich in die Kammer der Herberge in Vesper hatte bringen lassen, zur Seite.
Eine Herberge. Der Tempel war nicht einmal gross genug, dass er und Laurent dort eine Unterkunft bekommen konnten. Kein Vergleich zur Herrlichkeit der Herrin, die man in Trinsic zu sehen bekam. Wehmütig dachte er an das Gelände seines Ordens.
Natürlich gab es hier auch mehr Freiheiten, doch bereits nach zwei Tagen war ihm klar geworden, dass die Entsendung in den Norden mehr würde nach sich ziehen, als nur kühlere Witterung und ein paar neue Aufgaben.

Er konnte den Begriff zunächst nicht fassen. Und konnte es auch jetzt nicht recht. Er und Laurent hatten in Trinsic viel erlebt und hier war alles anders. Sie waren auf sich gestellt. Keine Unterstützung des Ordens, aber auch keine Zwänge. Das änderte alles. Sie hatten mehr Freiheiten als früher, aber irgendwie hatte Gerrard bereits am ersten Tag festgestellt, dass sie auch grosse Stiefel würden anziehen müssen, um darin in diesem Lande laufen zu können. Götterfürchtige Menschen ... Es gab einige, doch echte Hingabe schien eine Art Mangel zu sein. Natürlich gab es Ausnahmen. Diese Madame Liara, die er getroffen hatte. Zwar diente sie dem Herren Rhodariad, doch schien sie ihr Herz auf dem Rechten Fleck zu haben. Ein schweres Herz, wie ihm schien. Er wünschte, er würde ihr helfen können. Doch Liebeskummer... Das fiel wohl kaum in sein Fachgebiet. Nicht einmal in Trinsic wäre es das.
Er hatte sich nie darüber Gedanken machen müssen. Er fragte sich, ob Laurent....

Er brütete über dem Buch, dass ihm Hochwürden mit auf den Weg gegeben hatte. "Wege des Lichts". Ein zerlesenes Exemplar für den wandernden Geweihten.
Er war ein wenig frustriert. Natürlich wusste er, dass seine Arbeit in Trinsic nicht die beste gewesen war, dass er vielleicht etwas... anders an bestimmte Dinge hätte herangehen können. Hie waren sie nun auf sich gestellt. Wie sollte er jetzt jemals seine angestrebte Karriere in der Kirche angehen? In Trinsic hätte es Geleit gegeben, hätte Rat gegeben für die Fragen, mit denen er sich hier sofort konfrontiert sah, als sie eintrafen.
Jetzt musste er allein klarkommen. Nun, nicht ganz allein.

Was nur sollte er hier tun?
Wo anfangen?
Was nur wurde von ihm erwartet?

Er blätterte weiter ...