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Grabesruhe

Lias Gutseel
14. Februar 2022 22:31
Noch etwas benommen stolperte Lias Richtung Bank an der Schenke der Rast vorbei. Er hatte versucht, einen Kopflosen mit seiner Sense – ein Relikt aus seiner kurzen Episode als Knecht – ins Reich der Toten zu überführen und war kläglich gescheitert. Der Geruch des faulen Fleisches war ihm zuwider. Am liebsten hätte er alleine den ganzen Friedhof vor der Inselstadt gesäubert, doch seine klammen Glieder taten ihm keinen guten Dienst.
Kurz ging sein Blick zur Schenke. Wie gerne hätte er sich dort einen wärmenden Tee genehmigt; sehnsüchtig dachte er an die reich gefüllte Küche Lingors auf dem Lilienhof. Ein altes Leben. Er musste die Gedanken daran loswerden. Dies war ein neuer Anfang, oder etwa nicht? Der zweite, sagte ein kleine Stimme in ihm. Von wie vielen?
Mit hochgezogenen Schultern setzte er seinen Weg fort, einen großen Bogen um die Wachen schlagend. Er hasste Gardisten, Wachen, all jene in ihren Uniformen, die blind Befehle ausführten oder gar Gefallen daran fanden. Sadistisches Vergnügen war schließlich in Ordnung, wenn jemand anderes es verlangte, nicht wahr? Nicht wahr?
Gesenkten Blickes kramte er in der Banktruhe, die ihm Sighelm in der Bank schweigend reichte. Er musste einen Weg finden, etwas Gold zu verdienen, oder er würde jämmerlich erfrieren. Die seltsame Frau mit ihrem Portal hatte ihm ein Kochbuch geschenkt; er konnte sein Glück darüber kaum fassen. Kochen, auch das hatte er mehr schlecht als recht auf dem Lilienhof gelernt. Irgendwie würde er sich schon über Wasser halten. Zur Not haust du halt wieder ab, sagte die fiese kleine Stimme.
Den Mantel fest um sich gezogen ging er abermals an der Schenke vorbei zurück, als ihm der kleine Friedhof neben der Rast auffiel. Hier gab es keine Untoten – stattdessen herrschte eine angenehme Ruhe auf dem Platz. Lias zögerte kurz, dann öffnete er das Tor und begann, die Schrift auf jedem einzelnen der verwitterten Grabsteine zu entziffern. Hier herrschte Frieden. Gedankenverloren betrachtete er einen Käfer, der sich seinen Weg durch das Moos auf einem der Steine bahnte, als er sich einer Gestalt neben sich Gewahr wurde. Erschrocken fuhr er hoch, doch die Frau lächelte nur beschwichtigend unter ihrer Kapuze. Sie hielt eine Urne in beiden Händen. Ihm wurde klar, dass sie eine Dienerin der Yaháne sein musste.
Verlegen senkte er seinen Blick, doch plötzlich sah er wieder auf. Bevor er recht wusste, was geschah, hatte er auf seine Hände gedeutet und fragend die Brauen gehoben. Die Frau nickte nur, ohne zu sprechen und drückte ihm eine Schaufel in die Hand.
Stunden später fand er sich in einem Raum unter dem Gebäude auf dem Friedhof wieder. Die Frau hatte ihm einen Platz gewiesen, auf dem er seine Matte ausrollen konnte. Es war kalt, aber es war trocken und sicher. Für diese Nacht würde es ausreichen. Er schloss die Augen.

Vor dir selbst kannst du nicht wegrennen, meldete sich die kleine Stimme abermals zu Wort.
ThemaAutorAngesehenDatum/Zeit

Stumm

Lias Gutseel17131. Januar 2022 19:21

Grabesruhe

Lias Gutseel7914. Februar 2022 22:31



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