Der Entschluss war gefasst. Gernot würde der Rast erst mal den Rücken kehren und sein Glück im Herzogtum suchen. Doch ganz so rasch ließen sich die Zelte nicht abbrechen. Es gab da noch 3 Dinge die erledigt werden mussten. Und so machte sich der Söldner auf zur Anschlagtafel, während die Herbstsonne ihre warme Strahlen allen Lebenwesen der Welt, ohne Unterschied, zukommen ließ . Sein Gesuch war noch vorhanden. Und nachdem er die anderen kurz überflogen hatte, nahm er das seine mit einem Ruck von der Tafel und steckte es ein.

Der nächste Weg führte ihn zu Zorda. Ihr musste er noch Bescheid geben, damit sie bei eventuellen Anfragen Auskunft geben konnte. Doch ehe er nach der, wie immer, freundlichen Begrüßung zu einem Gespräch ansetzen konnte, hielt sie ihm schon die Weinflasche mit einer Nachricht daran unter die Nase. "Von wem ist das?" fragte er verdutzt. Die Wirtin, die sich schon wieder umgewandt hatte, meinte in gelangweiltem Ton "Von Ivy."

Mit gemischten Gefühlen las er halblaut die Worte auf dem Stück Pergament 'Ich hoffe, ich habe die Prüfung bestanden! Ivy'
Was meinte sie denn damit? Welche Prüfung? Gernot konnte sich keinen Reim machen. Und was sollte die Weinflasche. Sollte Sie ....... Er erschrak. Wußte sie um seine Vergangenheit? Doch dazu passte irgendwie der Text nicht. Suchend sah er sich um, als würde er ihr gerne selbst die Frage nach dem Sinn ihrer Nachricht stellen. Welcher Prüfung hätte er sie unterziehen sollen? War es nicht er, der seine eigene Prüfung nicht bestanden hatte? Vielleich war es gut so. Denn im Falle des Falles hätte er Ivy gegen einen Angreifer mit guter Rüstung und leidlichen Kampffähigkeiten wahrscheinlich kaum beschützen können, geschweige gegen einen wirklich guten Kämpfer. Mehr als ihr Zeit zum Davonlaufen zu verschaffen, war wohl zur Zeit nicht möglich. Gernot seufzte. Wenn er sie geprüft hatte, dann unwissentlich. Und wie es aussah hatte sie nicht bestanden, genau wie er. Jeder auf seine Weise. Weiter drang er in sich. Was wäre denn die Prüfung gewesen, war die neugierige Frage an sich selbst. Die Antwort darauf fühlte er zwar, doch in Worte wollte er sie nicht fassen. Fast fürchtete er sich davor. Mit einem leichten Kopfschütteln verjagte er den Gedanken, der sich aber, wie eine Katze die etwas haben wollte, nur soweit vertreiben ließ, dass sie nicht mehr gesehen werden konnte.

Und warum fragte sie eigentlich? War ihr das denn nicht egal? Sie hatte ihm die 50 Goldstücke gegeben. Gemäß ihrer Vereinbarung, dass sie ihm 100 nach dem nächsten Auftrag geben sollte, war dies eine klare Aussage. Gernot´s Puls ging kurz nach oben. Wußte sie eigentlich, dass es ihm nicht leichtgefallen war, ihr seine Schwäche einzugestehen? Wer tat so etwas schon freiwillig? Aber gerade das mag es gewesen sein, das ihm das Gold einbracht. Wie hätte sie auch sonst reagieren sollen? Langsam erkannte er, dass ihre Reaktion nur Konsequent war.

Gernot holte einen dünnen Kohlestift heraus, nahm einen frischen Bogen Papier, und schrieb
"Geehrte Ivy,
Ihr wurdet vom Leben, nicht von mir geprüft. So wie auch ich einer solchen Prüfung unterzogen wurde. Danke für den Wein. Ich werde ihn aufbewahren. Die nächsten Tage halte ich mich in der Nähe des Kontors auf, da ich dort möglicherweise einen Auftrag bekomme. Solltet ihr es wünschen, werdet ihr mich dort am Abend antreffen können. Mögen die Lichten über euch wachen.
Gernot vom Wildbach"
Das Pergament übergab er Zorda ebenso wie einige Goldstücke.

Der letzte Gang führte Gernot zu Sighelm vom Spaltenstein. Dort holte er all seine Habseligkeiten. Es war weniger als er gedacht hatte. Was zuviel war um am Mann getragen zu werden, verkaufte er bei den Händlern.

Noch einmal prüfte er all sein Hab und Gut, dann durchschritt er das Tor der Rast mit festen und zielbewußten Schritten in Richtung Grenze.

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Ein Dutzend verlogener Komplimente ist leichter zu ertragen als ein einziger aufrichtiger Tadel..