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Buch I, Kap. 3, Teil 1 - o angol an o emlyg (Von Magie und von Drachen)

Wu'feiniel Rodwen
05. Juli 2013 10:47
Wu'feiniel schritt wie immer um diese Zeit durch das hohe Gras auf den schneeweißen Bau des Ratsgebäudes zu, in dem sich auch im oberen Stockwerk die Sammlung zahlloser alter Bücher in der Bibliothek befand. Es sollte mal wieder an der Zeit sein, in alten Erzählungen zu versinken und vielleicht ein paar Neuigkeiten zu erfahren, die sich oft in der Ratshalle in Form von Aushängen, Schriftrollen oder Briefen finden ließen.
Doch als sie aus dem Sonnenlicht in den Schatten der kühlen grossen Halle trat, fand sie diese entgegen ihrer bisherigen Gewohnheit diesmal nicht leer vor. Zwei Grauelfen waren zugegen, der eine sitzend, der andere in der Mitte der Halle vor ihm stehend, während er über etwas sprach: Der Grauelf Araythrion wurde gerade von seinem Lehrmeister, dem Erzmagier Fearon geprüft.
Wie unter Grauelfen typisch, wirkte die Stimmung kühl, fast lebos wie der sie umgebende Marmor der weiten Halle, in der sie standen und so kam sie sich rasch recht fehl an diesem Orte vor. Es war lange her, dass sie einen von den beiden gesehen hatte und doch war deutlich, dass sie die beiden nurmehr störte, wenn sie dies hier nun zum Ausdruck bringen würde. Als Hochelfe musste sie so ihr Temperament oft zügeln, wenn sie mit den Grauelfen zu tun hatte, die allesamt recht reserviert mit den Äußerungen von Emotionen umgingen - seien es fremde oder gar die eigenen. Edhilweth war nicht anders, wenngleich sie ihn nach all den Jahren für sich mehr und mehr als durchschaut ansah und mit ihm umzugehen wusste.
Nach möglichst kurzem Gruß suchte sie sich schließlich im Hintergrund einen der Plätze, denn wenn Magier sich unterhalten, gab es immer etwas zu lernen.

Der Prüfling Fearons hatte in der Vergangenheit lange die Beschaffenheit der Magie von Drachen erforscht und hielt hierzu nun einer recht langen und sehr wechselhaften Befragung durch seinen Mentor stand. Mal ging es um die Objekte seiner Studien, mal um das Grundverständnis menschlicher Magie oder gar um geschichtliche Epochen, die die Ära des Siegels beschrieben.
Wu'feiniel lauschte den Erklärungen der Schulmagie aus Sichtweise des Grauelfen und einmal mehr fiel ihr auf, wie nüchtern das junge Volk mit der ihr gegebenen Macht umging.

An Flam, Aufheben der Flamme - das Wesen menschlicher Magiewirkung war lückenhaft und das Verständnis um die Elemente wies viele Irrtümer auf, in weiten Teilen blieben diese sogar gänzlich unbeachtet von deren Magiern. Es gab in ihren benutzten Runen zum Beispiel kein Element Wasser und so kehrte man Feuer einfach um und sah dies bereits als ähnlichen Effekt. Nichts konnte die schwache Magie der Menschen besser verdeutlichen, als dies. Für sie war es nur ein Baukasten, deren Einzelteile wie in einem Rezept zu einer bloßen Funktion zusammengefügt werden mußten.
Ein Zauberspruch jedoch glich niemals einem anderen, egal wie oft man ihn auch zu wiederholen versuchte. Das war das wahre Wesen der Magie in all dem und es wurde von ihnen nicht einmal erahnt. Die Dinge würden sonst weniger berechenbar für sie sein und eine Welt ohne Kalkül war eine Welt blanken Chaos für die jungen Völker.
Doch in Wahrheit war Wasser nicht nur einfach das Löschen einer Flamme. Es gab Flammen, die kalt wie Eis sein konnten und Wasser, die heißer kochten als Lava.

Für Elfen wurde dies durch Element und Nebenelement erklärt, wodurch es möglich war, selbst scheinbar gegensätzliche Elemente zu einer Zauberwirkung zu vereinen. Das erfasste zumindest zum Teil das Dasein eines Elements. In einer ihrer häufigsten natürlichen Erscheinungsform zeigten sie schon ihre wesentlichen Aspekte, die sie einander ausschlossen:
Feuer wohnte Wärme inne,
Erde stand für Beständigkeit der Form und auch der Ruhe,
Wasser war die Kälte,
Wind zeigte seine Flüchtigkeit sowohl in der Leere als auch in der Bewegung,
Magie war schließlich die Essenz, die alles voneinander trennen oder alles miteinander verbinden konnte, ihr Aspekt lag in allem zugleich.
Daraus konnte sich aber schon eine ganze Fülle an Zwischenelementen bilden, ohne dass ein Magier sie überhaupt erst erzeugen musste: Blitz, Metall, Holz, Eis, kaltes Feuer, flüssiger Stein, harter Sturm und zähe Wasser. Die Magie der Natur war angefüllt mit sonderbaren Wundern und Geheimnissen, die zu erkennen eines offenen Geistes bedurfte.

Zehrend oder bildend, fließend oder stabil... all dies konnte jedes Element in sich vereinen, erst recht in der Daseinsform der stofflichen Welt, die sie umgab. Selbst ein Stein konnte sich bewegen oder der Wind konnte zehren, ohne eine Form zu besitzen. Es widersprach also nicht ihrem Wesen, es dauerte nur länger oder entzog sich einfach nur der Wahrnehmung.
Feuer war auch nicht etwa böse, weil es aufzehren konnte. Ein Element kann nicht gut oder böse sein. Alles folgte seiner eigenen, komplexen Natur, die mitunter zwiespältig erschien und erst durch den Verstand einen Namen erhielt, der ihm aber selten gerecht wurde. Manche Dinge standen über einem und man konnte sich ihrer vielleicht bedienen, sie sich aber nie vollends gänzlich erschließen.

Und brennendes Holz war auch nicht das Element Feuer in seiner Reinform, denn die gab es selten in der gegenständlichen Welt. Jedem Ding wohnte jedes Element inne und die Magie verhalf dazu, dieses zu verstärken, sich notfalls dadurch erst zu zeigen. Selbst im Magma eines Vulkans waren nicht nur die wesentlichen Aspekte des Feuers, des Steins und des Windes repräsentiert, auch das Wasser lag darin verborgen, wenngleich schwächer als die übrigen und damit kaum zu erkennen.
So war das Wirken von Magie keine Schaffung aus dem Nichts - es war lediglich eine Umwandlung. Selbst eine Flamme konnte zuvor noch das Dasein eines gefrierenden Tropfens führen. Der Geist beschreibt den Weg der Melodien der Elemente und die Magie formt das Wesen der Dinge. Sie war das fünfte Element und der wesentliche Aspekt im Wirken eines Geistes.

Schulmagie half da nur mäßig. Sie legte Dinge fest, die auf einer engen Sichtweise fußten. Ein scheinbares Wissen, das sich nicht mehr wesentlich erweiterte. Eine Entwicklung war nur innerhalb eines vorgegeben Rahmens möglich, der nicht mehr in Frage gestellt wurde.

Die Elemente aber umgaben sie, lebendig, wechselnd, waren in jeder Sache enthalten, überall zugegen und auch mit der Magie verhielt es sich so. Die höchste Form des Geistes würde es schließlich sein, sich die umgebende Energie direkt nutzbar machen zu können, schon durch die reine Absicht des eigenen Willens. Dann würde man selbst zu reinem Geist werden und in die Magie übergehen. Ein Stadium, dem ein endlos langer Weg harter Prüfungen voranging und mit jedem Schritt wuchs zudem die Verantwortung. Ein Weg, den selbst von den alten Völkern niemand mehr beschritt, weil er durch die Schwächung des Siegels nahezu unmöglich geworden war - und vielleicht war das auch gut so.


Was sie aber mehr interessierte, waren nicht die Ausführungen des Grauelfen über Geschichte und heutige Form menschlicher Schulmagie. Sie horchte jedesmal auf, wenn er zu den Drachen zurückfand, denn von ihnen konnte sie nie genug erfahren.

Es erinnerte sie nämlich wieder an hellere Tage, die bereits weit zurück lagen. Aber noch mit so deutlichen Bildern und Gefühlen, wie sie seitdem kaum noch jemals wieder etwas hatte prägen können.
Als jene stolze Frau der Menschen noch oft auf dem Rücken eines Drachen saß. Groß war er und schön und sein Wesen war rein und freundlich, auch wenn er sich wie alle Drachen gar nicht so gab. Er war einer des Alten Geblüts und gehörte damit zu den Weisesten und Edelsten unter den Drachen, obgleich er selbst dabei noch recht jung gewesen war, vielleicht sogar der Jüngste seiner Art. Diese Drachen waren sonst nur wenig mit jungen Völkern vertraut, da sie einander nicht verstanden und sich deshalb mieden. Aber diese beiden gehörten längst untrennbar zusammen, und dass obwohl sie zunächst vielleicht nicht einander bestimmt gewesen sein sollten. Das Schicksal hatte sie jedoch auf viele tragische Weisen schlussendlich zusammengeführt, sie vieles gemeinsam durchleiden lassen.
Und als sie später für ihn starb, ging in ihrer Todesstunde ein Teil seiner Essenz in ihren Leib über. Er hatte ihr damit das Leben gerettet und dafür schließlich das seine gegeben, so sehr liebte er sie, obwohl sie nur ein Mensch gewesen war. Und fortan sollte sie ihn so immer in sich tragen, bis ans Ende ihrer eigenen Tage, das sich dadurch noch weit aufschieben ließ.
Ein Band der Freundschaft und der Liebe, weit über den Tod hinaus, das jedoch auch immer wieder mal von anderen Dingen noch oft überschattet wurde. Denn viele trachteten nach der Macht, die den Drachen seit jeher innewohnte. Und ein Menschenherz, sei es auch noch so stark, konnte nicht alles davon ertragen, ohne dabei tiefen Schaden zu erleiden. So kam es gar, dass es bezeiten kaum noch etwas darüber wusste, fast so, als habe all dies niemals stattgefunden. Bis all die Wunden verheilt sein würden und sich das Herz erneut würde öffnen können.

Sie schreckte aus ihren Gedanken auf. Es lag lange zurück, dass sie all diese Bilder das letzte Mal so intensiv heraufbeschworen hatte. Und doch waren sie ihr noch immer so gewahr, als sei kaum Zeit verstrichen. Sie hatte den beiden vieles zu verdanken, auch wenn ihre gemeinsame Reise zu dritt nur kurz gewesen war. Aber selbst in den schmerzvollen Jahren danach, als er bereits von ihnen gegangen war, hatten sie zusammen noch vieles erlebt. Und doch war ihre menschliche Gefährtin niemals wieder wie vorher gewesen. Sie hatte seitdem niemals mehr gelacht und niemals wieder richtig weinen können. Allerdings würden auch wieder bessere Tage kommen, das wußte Wu'feiniel damals schon und auch jetzt glaubte sie noch daran, obschon sie einander seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten. Sie spürte es einfach.

Die junge Hochelfe war also von jenen Tagen an interessiert an allem, was mit Drachen auch nur irgendwie in Verbindung stand. Sie entstammten einer Zeit, die selbst für Elfen nurmehr erahnbar sein konnte, denn sogar die ältesten Völker wirkten noch recht jung in den Augen der Drachen.
So gab es Tage, da verbrachte sie Stunden damit, die in der Stadt Mârlanthir ruhenden Sternendrachen einfach nur zu betrachten, so sehr war sie davon fasziniert. Und in manchem Momenten war die Zeit fast spürbar, aus der sie einst kamen, ganz so, als ginge ein kleiner Teil der alten Magie für einen kurzen Moment zu ihr über. Gelebte Geschichte.
Sie konnte sie mittlerweile gut voneinander unterscheiden und von einigen von ihnen kannte sie sogar so etwas wie ihre Namen. Ihre wahren Namen waren lang und ließen sich in den Sprachen der Elfen kaum richtig wiedergeben. Daher nutzten sie nur Teile dessen, die verständlicher waren und welche die Drachen nicht allzu tief in deren Würde verletzten. Doch am meisten schliefen sie ohnehin nur und der Schlaf eines Drachen konnte Jahre andauern. Hielten sie sich nicht hier innerhalb der schützenden Mauern auf, sondern wären in Höhlengängen versteckt, hätte man sie im Halbdunkel glatt mit Felsen verwechseln können, was in der Vergangenheit sicher schon oft genug geschehen war. Es war nicht ratsam, einen Drachen einfach so aufzuwecken, ganz gleich, was man mit ihm vorhatte.
Die vielen Gespräche mit einigen der Drachenhüter, die sich ebenfalls in der Stadt aufhielten und für beiderseitigen Schutz sorgten, hatten ihr so manches Mal mehr Fragen aufgeworfen, als beantworten können, was ebenfalls für die tiefen Geheimnisse stand, die die Drachen nunmal umgaben.
Manche Neugier konnte einfach niemals gestillt werden, so manche Frage blieb nunmal unbeantwortet. Doch ihr gefiel der Gedanke, dass nicht immer alles erklärbar blieb.

Und genau so verhielt es sich für sie auch mit den Geheimnissen der Magie...
ThemaAutorAngesehenDatum/Zeit

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