Was war es eigentlich, das sie so faszinierte?

Levana saß am Rasthafen und ließ die Beine über dem Wasser baumeln. Kleine Wellen plätscherten ihr entgegen – ein Geräusch, das ihr stets beim Nachdenken geholfen hatte. Heute schien es nicht recht zu funktionieren.

Sie hatte das Konzil besucht. Wie erwartet – und befürchtet – waren die Erinnerungen beim Anblick des Gemäldes dort zurückgekehrt. Relnor und Kelindahr, Kelindahr und Relnor. Beide waren ihr wichtig gewesen, beiden hatte sie vertraut. Nun waren sie fort – und Levana blieb ratlos zurück.

Was war es nun also?

Angestrengt versuchte die Zigeunerin sich zu konzentrieren und an den Moment zu erinnern, als sie Relnor das erste Mal gesehen hatte.

Ein Drow. Ebenholzschwarze Haut, silbrigweißes Haar, das im Mondlicht schimmert. Augen von einem unnatürlichem Blau, Jahrhunderte darin. Eine Stimme, die ihr Schauer über den Rücken jagt.

Sie war auf Distanz gegangen. Zunächst.

Sinnlos. Er hatte es gespürt.

Es war nicht klug. Sie wusste es selbst. Auch wenn Relnor sich Eilistraee verschrieben hatte, so hatte es nicht lange gedauert, bis andere Drow aufmerksam wurden. Ein Schwachpunkt. Und sie damit eine Zielscheibe.

Levana schüttelte langsam den Kopf. Sie tastete nach der Kette mit dem geschnitzten Herzen, die sie in einem Beutel bei sich trug. Zärtlich strich sie mit einem Finger darüber.

In Kelindahr hatte sie gefunden, was bei Relnor gefehlt hatte.

Und nun?

Sie ließ den Beutel sinken.

Ihre Gedanken wanderten zu Ithulien, der ihren Schmerz gespürt hatte. Sein Geist blieb ihr verschlossen. Das krasse Gegenteil eines leidenschaftlichen Drows. Alabasterglatte Gelassenheit. Er hatte ihr Rat angeboten, wenn die Zeit gekommen war. Was würde er sagen? Im Nachhinein wunderte sie sich, dass der Grauelf so ruhig geblieben war.

Bewundernswert. Gelassenheit war eine Eigenschaft, die ihr fast vollständig fehlte.

Sie würde ihn aufsuchen.

Langsam massierte sie ihre Schläfen, als die Kopfschmerzen sich mit Wucht zurückmeldeten.