Raynier de Larchant
02. Mai 2023 09:39
Der leichte Treffer mit der Axt sollte Rayniers Letzter gewesen sein.
Pyras Geschick mit Langwaffen war legendär und sie nutzte ihre Reichweite gnadenlos.
Es war als spielte sie mit ihm, setzte Angriff um Angriff und umtanze den Templer wie es ihr gefiel.
Doch Raynier war seinerseits alles andere als Wehrlos. Er parierte die Angriffe geschickt und ließ ihre Attacken ins Leere laufen. Auch die Zuschauer erkannten, dass Raynier zwar deutlich im Nachteil war, es aber dennoch auf einen Patt hinaus lief.
Da beide Kämpfer mit unverminderter Wut und Kraft aufeinander eindrangen, war es eine kräftezehrende, zu Nichts führende Angelegenheit geworden.
Pyra beendete den sinnlosen Kampf indem sie einige Schritte zurück trat und ihre Hellebarde einer Schwester gab. Sie zog den Helm aus und warf ihn achtlos beiseite:
„Langwaffen scheinen euer Ding nicht zu sein. Ich will nicht dass eure Brüder später behaupten ich hätte euch durch einen unfairen Vorteil besiegt.“
Mit diesen Worten ließ sie sich Schwert und Schild reichen. Auf ihren Helm verzichtete sie.
Raynier war froh seinerseits den Helm ablegen zu können und sog verstohlen aber gierig die kühle Luft ein, sein Gesicht war schweißnass.
Gottfried half ihm den Schild anzulegen:
„Das ist gut, mit dem Schwert bist du ihr überlegen. Aber du musst es schnell beenden wenn du gewinnen willst. Einen langen Kampf stehst du nicht durch, da ist sie im Vorteil. Erinnerst du dich an die Finte die ich dir beigebracht habe?“
Raynier nickte schwer atmend.
„Gut, dann setz sie schnell ein. Sie wird sich den ersten Angriff nicht nehmen lassen. Kassier den Treffer und nutze dann den Moment!“

Pyra trat wieder in die Mitte, gefolgt von Raynier.
Die beiden Rosen sahen noch immer grinsend dem Duell zu. Sie hatten nichts zu verlieren. Sollte Pyra gewinnen, waren die Templer entscheidend geschwächt und mit einem neuen Großmeister in Unruhe. Gewann Raynier, würde Gor die Schwesternschaft schnell von einem Bündnis überzeugen können um die Tochter des Mondes zu rächen.

Wie Gottfried prophezeit hatte, drang Pyra sofort wieder auf Raynier vor und teilte kräftige Hiebe aus.
Er wich Schritt um Schritt zurück und schien zunehmend unsicherer zu stehen.
Mit einem Mal öffnete er seinen Schildarm nach außen um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Er ruderte mit dem Arm und stolperte, sich nur mühsam fangend.
Doch Pyra hatte die Lücke bereits erkannt und stieß kraftvoll zu. Ihre Schwertspitze fand ihr Ziel. An der Plattenrüstung abrutschend drang sie wie automatisch in die Lücke zwischen zwei Rüstungsteilen und ob ihrer schieren Kraft sprengte sie das Kettengeflecht und verletzte den Templer.
Doch es war nur ein Streifer, und einer mit dem Raynier gerechnet hatte.
Sein Stolpern war Gottfrieds Finte, die den Gegner zum Stoß verführen sollte.
Den Arm lang vom Stoß, war Pyra nun in einer heiklen Situation, denn Raynier schloß seinen Schildarm und drehte seinen Körper gleichzeitig ein.
Auf die Art blockierte er Pyras Schwertarm, zog sie mit in seine Drehung und warf sie mit all seiner verbliebenen Kraft herum.
Die Schwester flog kurz durch die Luft. Ihr Schwert entglitt ihr und sie schlug schwer auf dem Boden auf.
Raynier gab ihr keine Zeit sich aufzurichten:
Er löste seinen Schild, packte sie und zerrte sie auf die Knie. Noch während der Bewegung warf er auch sein Schwert weg, zog den Dolch und hielt ihn an ihre Kehle.

Beide Kämpfer schnaubten und Pyras Blick zeugte von Unglauben und Wut.
Raynier sah sich um.
Pyra zischte:
„Los, Templer, mach was du dir vorgenommen hast! Vergeude nicht meine Zeit!“
Die Menge starrte gebannt und erwartete das Unvermeidbare.

Raynier ließ den Dolch fallen und sank vor Pyra auf das Knie.
„Pyra, Tochter des Mondes! Wie es Brauch und deine Bedingung ist, habe ich dich im fairen Duell besiegt. Und darum frage ich dich ein weiteres Mal:
Willst du mich zu deinem Mann nehmen?“
Ein ungläubiger, einstimmiger Aufschrei der Zuschauer hätte jede Antwort Pyras unhörbar gemacht.
Doch es brauchte keine Worte. Pyra beugte sich vor, nahm Rayniers Kopf in beide Hände und küsste ihn lang und innig.
Schwestern und Templer brachen gemeinsam in Jubel aus, froh nicht länger verbergen zu müssen, was sie seit dem Vorabend wussten. Die Schaulustigen fielen nach und nach in den Jubel ein.
Mit der Ausnahme zweier Rosen, welche ungläubig zu Raynier und Pyra starrten.
Pyra bedachte sie mit ihrem legendären, diabolischen Lächeln und küsste Raynier erneut, dabei den Blick erst im allerletzten Moment von den Rosen abwendend.
Sie wussten dass ihr Schicksal nun besiegelt war. Schwesternschaft und Templer vereint.

Rayniers Frage vor einigen Tagen hatte Pyra sprachlos gemacht.
Doch nicht lange und sie hatte ihn, wie gerade eben, statt einer Antwort einfach geküsst und ihm glücklich in die Augen gesehen.
Es war eine gute Lösung für beide Probleme und Pyra gefiel die Vorstellung beide Probleme mit einem gewaltigen Knalleffekt zu lösen. Und das würde es sein!
Doch dann teilte sie ihm ernst ihre Bedingungen mit:
Sie würde ihn nur heiraten, wenn er sie in einem Duell besiegte, denn so war es Brauch und sie würde keinen Mann an ihrer Seite akzeptieren, der ihr nicht zumindest ebenbürtig war.
Weiters würden sie kein gemeinsames Haus beziehen und ihren Aufgaben weiterhin mit ganzer Kraft nachgehen. Doch sie würden sich von da an offen treffen können und nichts verheimlichen.
Und zu Guter Letzt nahm sie ihm das Versprechen ab dass sie Beide im Zweifel den Eid den sie gegenüber ihren Schwestern und Brüdern geleistet hatten, ehren und erfüllen würden, egal was das für sie Beide bedeuten würde.
Raynier gab ihr dies Versprechen. Es war ihm klar das ihre Liebe keine gewöhnliche war und auch ihre Ehe nicht „normal“ sein konnte. Sie beide lebten nach dem Motto „Sum qui sum“, ich bin was ich bin.

Also kehrten sie heim und eröffneten ihren Gefolgsleuten eine erstaunliche Geschichte.
Es brauchte einige Überzeugungskunst, doch am Ende konnten alle zustimmen und alle sahen das es am Ende das Beste war.

Leider gönnten die Götter Pyra und Raynier keine lange Liebe.
Pyras Tod war mit ein Hauptgrund warum Raynier die alte Welt verließ.
Er heiratete nie wieder und versagte sich Gefühle für andere Frauen stets.
Am Ende hatte er zwei Frauen geliebt und beide verloren, Arela und Pyra. Doch Pyra trug er mit sich bis heute, sie war ein Teil von ihm, hatte ihn zu dem Mann gemacht der er war und tief in seiner Seele meinte er noch ihre Stimme zu hören:
„Bring mir mehr Bier, anders ertrag ich dich heute nicht!“
Raynier lächelte und nahm einen Schluck Bier: „Auf dich, Mondtänzerin!“



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.05.23 09:53.
ThemaAutorAngesehenDatum/Zeit

Erinnerungen an Pyra, Tochter des Mondes

Raynier de Larchant10121. April 2023 08:37

Eine erste Lektion

Raynier de Larchant6725. April 2023 06:28

Die Entwicklung

Raynier de Larchant6425. April 2023 07:59

Das Duell

Raynier de Larchant6102. Mai 2023 06:37

Einige Tage zuvor

Raynier de Larchant6002. Mai 2023 08:15

Ende

Raynier de Larchant6002. Mai 2023 09:39