Vor ihrem inneren Auge zogen die Eindrücke Vespers vorbei: Große Schatten die über den Dächern ragten, Flammen die auf eben diesen züngelten. Wie in Trance haftete ihr Blick auf der Stadt, als das Kriegsschiff der Elfen an der Hafenstadt vorbei, durch die Wellen hastete. Wenige Stunden war dies nun her, endlich spürt wieder festen Boden unter den Füßen. Angekommen in der Stadt der Elfen hatten sie schnell versucht sich einen Überblick über die die Lage in Vesper verschaffen, sowie Kontakt zu den Ortha`in aufzunehmen. Der Blick der Paladiness glitt zum Angroshim an ihrer Seite hinab, der nach wie vor die Truhe mit dem geborgenen Artefakt, fest in seinen Händen hielt. Thoisin hatte vor sein Wort zu halten und keinen Schritt von der Truhe zu weichen. In der vergangenen Nacht hatte der Segen Eilistraees diese Truhe geschützt und so fühlte sich auch die Paladiness der Aufgabe verbunden. Sie spürte den Wiederwillen des Elfen, als sie sich selbst in die Stadt einlud, doch wusste sie um den Stolz Ithuliens und war ihm dankbar für seine wortlose Zustimmung.~o~“Festland…” waren die ersten Worte des jungen Angroshim als seine abgetragenen Stiefel zum ersten mal seit Tagen wieder den Boden der Heimat unter sich spürten. Innerlich war ihm zum schmunzeln zumute, wissend dass der Kapitän des Schiffes ihn sicher noch weniger vermissen würde als er ihn. Wie alle anderen war sein Herz schwer von Sorge um die Geschehnisse in Vesper, doch waren seine Gedanken an einem anderen Ort… “Die Truhe, wir müssen das Artefakt sicherstellen.” So zog es ihn mit Eile vor die Tore der Stadt und hindurch als die Elfen diese öffneten. Ithulien führte die Gruppe gemeinsam zur großen Ratshalle, wo sie sich weiter über ihre nächsten Schritte unterhalten konnten. Wohl war er zu stolz um zuzugeben, dass auch an ihm die Erschöpfung zehrte, wie viel lieber würde er nun zuhause bei seiner Familie sitzen und Wildschwein essen…
“Ich werde nicht von eurer Seite weichen”, dies waren die Worte die ihn aus seinen Gedanken rissen. Schwester Kylia war es, die gewillt war die Bürde mit ihm zu teilen. Ihm viel ein Stein vom Herzen, denn er wusste nun dass er all die Strapazen mit einem Freund gemeinsam erdulden könnte.
“Wie viel Gastfreundschaft die Elfen uns wohl erweisen werden? Ich habe mich noch nie mit Elfenwein betrunken…” flüsterte er zu Schwester Kylia, und wie zwei verwandte Seelen traf sich das Grinsen der beiden. Und so war der Plan geschmiedet...
~o~Die Klänge einer Harfe rissen Kylia aus ihren Gedanken. Es war ruhiger in der Stadt der Elfen geworden. Alle, bis auf sie und Thoisin, waren der Stadt verwiesen worden. Ithulien zeigte den zwei Fremden ihre Unterkünfte, sowie die Schenke, um sich dann ebenso zu verabschieden. Tief atmete Kylia die Nachtluft ein. Es schien der erste Moment seit Tagen zu sein, der etwas Ruhe bereit hielt. Die Reise war erschöpfend und fordernd gewesen, die Bürde des Artefakts schwer und doch schienen sie einen Moment Rast hinter den Mauern Mârlanthirs zu finden.
Der Blick Kylias wanderte zu den schlanken Händen eines zaghaft anzuschauenden Elfen, der die Saiten einer geschwungenen Harfe inniglich zupfte. Mit aufkommender Leichtigkeit machte sie sich daran zwei Flaschen elfischen Wein zu besorgen. Es galt nun die angebotene Entspannung auszukosten. Nur Eilistraees wusste um die nächsten Noten in der Melodie des Schicksals. Kylia achtete den Zwergen, hatte er doch bereits an der Seite der Schwesternschaft gefochten und seine Ehre erneut in den letzten Tagen bewiesen. Von einem Lächeln begleitet, wendete sie sich an den Angroshim mit den Worten: “Werter Thoisin, darf ich Euch zu einem Wein einladen. Mühe liegt hinter uns, Ungewissheit vor uns. Es wäre mir eine Ehre mit Euch zu teilen!”.~o~“Und ich dachte schon, Ihr würdet nie fragen…” Er brauchte nicht lange, um seine Antwort zu bedenken. Er nahm in freudiger Erwartung die Flasche von ihr an, und zog den feinen Korken mit seinen bloßen Zähnen aus dem Flaschenhals. Es lag viel Wahrheit in den Worten der Paladiness, nicht nur lagen Strapazen hinter ihnen, sondern auch noch vor ihnen. Der Weg dieser wild zusammengewürfelten Gruppe war noch weit von ihrem Ziel entfernt und das Ende ungewiss. Doch waren Thoisin die Sorgen um die Zukunft fern. Für ihn gab es nur zwei Wege wie diese Reise enden könnte. Entweder in ihrem Sieg, oder ihrem Tot. In beiden Fällen würde sie ein Festmahl erwarten.
Die Mühe für uns beide Krüge oder Gläser zu besorgen schien ihm fruchtlos. Denn er wusste dass der Wirt den Keller ohnehin in wildem Chaos vorfinden würde sobald der Morgen graut. Also konnte er auch genauso gut aus der Flasche trinken. Für heute Abend will er einfach nur die Sorgen und Nöte vergessen, und mit dieser Kriegerin die ihm trotz der sehr kurzen Zeit die sie sich nun kannten bereits so vertraut vorkam Geschichten, Speise und Trank zu teilen.
Der Elfenwein schmeckte so ungewohnt Süß auf seiner Zunge, dass ihm die ersten Schlucke schwer fielen. Doch als sie nach und nach kühl seine Kehle, Bart und Kinn herunter liefen wurden sie ihm allmählich angenehmer. Die Truhe mit dem Artefakt stand hinter ihm am Rand des Beckens, und diente ihm als taugliche Rückenlehne. Ihr metallenes Äußeres warf liebliche Reflektionen von der stimmungsvollen Beleuchtung des Badekellers.
Er genoß es sehr, dort im Wasser zu sitzen. Es war Tage her dass er die gelegenheit hatte sich ausgiebiger als mit einem Eimer Wasser in der Küche zu waschen. Er streckte sich nach vorne, um mit seinen Fingern zwischen seine Zehen zu gleiten, damit auch diese nach den langen Märschen auf Delice wieder wirklich sauber worden.
~o~Das Lachen der Paladiness hallte von den Wänden des Bades. Begleitet vom Plätschern des warmen Wasser, griff sie nach der Weinflasche auf dem steinernen Rand des Beckens. Die dunklen Erinnerungen an die Schemen in Vesper und auch an die vergangenen Tage und Wochen waren für einen Moment in den Hintergrund gerückt. Das Bad unter dem Gästehaus der Elfenstadt hatte das ungleiche Gespann in stiller Erwartung empfangen. Keiner der Bewohner Mârlanthirs war anwesend und so hatten Kylia und der junge Angroshim die Einladung Ithuliens genutzt, um auch die physische Erinnerungen der Strapazen von ihren Leibern zu waschen. Im schemenhaften Licht der elfischen Lichter, funkelte die Wasseroberfläche geheimnisvoll und die ungleichen Schatten der Paladiness und des Angroshim warfen einen fast komischen Reigen an die felsige Wand. Auf eine unwirkliche Art vertraut, vielleicht durch den unausgesprochenen Bund des Artefakts, fühlte sie sich Thoisin kameradschaftlich verbunden. Der elfische, sehr süße Wein mundete Kylia außerordentlich und in den letzten Tagen war wenig Raum für Kurzweil gewesen. Sie genoss die Geschichten Thoisins, welche er gestikulierend im Wasser des Bades erzählte, während Reste des elfischen Weines aus seinem Bart tropften.
“Es erfüllt mein Herz mit Trauer, dass die Stadt des Mondes nicht mehr in der Ebene Asusa liegt. Wo die Schwesternschaft und Euch nun das Schicksal derzeit verbindet und es sich wie in alten Zeiten anfühlt. Doch sind Orte bei einem wahren Bund unwichtig, zählen doch die Taten.”, dabei prostete sie Thoisin mit ihrer Flasche zu, etwas des Weines dabei überschwenglich in das Wasser verschüttend. ~o~Es könnte der Paladiness ein Lachen abgerungen haben, wie dünn sein Bart und auch die Haare auf seiner Brust noch waren verglichen mit den älteren Zwergen die sie womöglich vorher kannte.
Als der Alkohol des süßen weines allmählich ihre Zungen lösten, begannen sie einander Geschichten zu erzählen aus ihren früheren Tagen. Er würde ihr von seiner Familie und vor allem auch von seiner Schwester erzählen. Ihn und seine Schwester einten schon seit jeher ein Geschwisterlicher Wettbewerb. In “allem”, wirklich allem versuchten sie einander zu übertrumpfen. So erzählte er ihr lachend die Geschichte, wie ihre Eltern ihnen einst auftrugen einen Eintopf zu kochen und die beiden sich beim Würzen so sehr versuchten gegenseitig zu übertrumpfen, dass das Essen nachher absolut ungenießbar war und sie ihn nachher wegschütten mussten… Geschichten aus einfacheren Tagen.
~o~Das gemeinsame Lachen und das Klirren der Flaschen erhellte noch lange die stille Nacht in der Stadt der Elfen. Ereignisreiche Tage lagen hinter alten Beteiligten, doch ein Agroshim und eine Schwester des Mondes, genossen eine kurze Zeit der Leichtigkeit unter Mârlanthir.