Als der Bürgermeister den Bericht mit der Berechnung über die Anzahl der auszutauschenden Schindel an der Ratshalle gelesen hatte, konnte er ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Müde legte er den Bericht zur Seite. Vielleicht sollte er für heute Schluss machen, die Abenddämmerung hatte ohnehin längst eingesetzt und Morgen war auch noch ein neuer Tag, für weitere, nicht unbedingt spannendere, aber notwendige Verwaltungsaufgaben im Dienste Coves.

Tharbor löschte die Öllampe auf seinem großen Schreibtisch, stand auf, nahm den roten Ordensumhang vom Haken und trat in die laue Abendluft hinaus. Als er die Türe abgeschlossen hatte, atmete er tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Die frische laue Seeluft nährte seine Lungen und vom Ort herauf vernahm er gedämpft ausgelassene Menschenstimmen. Es war die Zeit der Ernte und die Cover waren bester Dinge, da der Ertrag vielversprechend zu sein schien und der Diener des Saergoth hatte ihnen – dem Lichten Pantheon sei Dank – keinen größeren Schaden zufügen können.

Nach der Stille der Amtsstube, dem Geruch der Tinte und des Siegelwachses, belebten die Sinneseindrücke hier draußen seine Stimmung. So entschloss er sich guter Dinge noch bei Ulfan einzukehren und den Abend dort ausklingen zu lassen. Mit nur ein kleinwenig Glück würde er seinen Bruder Walther in der Wirtschaft treffen.

Bei seiner Ankunft entschied er sich, dagegen die Schankstube zu betreten, sondern nahm draußen an einem kleinen freien Tisch Platz und beobachtete die abendliche Gesellschaft. Zwei Knechte tranken gut gelaunt um die Wette. Ein Liebespaar saß eng beieinander auf der Bank und sprach mit leisen Stimmen, rosigen Wangen und glänzenden Augen miteinander. Als die Dämmerung zunahm wurden in bunten Lampions Kerzen entzündet und spendeten farbiges gedämpftes Licht im Gastgarten. Die Grillen untermalten das Ganze noch durch ihr Zirpen. Jetzt noch einen Krug des hiesigen Weines, eine gegrillte Scholle mit Kartoffeln und der Abend war perfekt.

Da flog krachend die Tür zur Schankstube auf und Walther kam mit hoch rotem Kopf heraus gestapft. „Blut und Asche“ brüllte der Ordensritter und marschierte geradeweg Richtung Straße. Tharbor rief verwundert „Walther?“ hinterher. Worauf sein Bruder den Kurs wechselte und auf ihn zukam. „Sie Dir das an Tharbor“, schnaubte er und warf mit verächtlichem Ausatmen ein in dunkles in ledergebundenes Buch auf Tharbors Tisch. „Ulfan hat mir das anstelle eines Humpen Bieres serviert. Er hat es heute Nachmittag mit den folgenden Worten erhalten: ,Ich Schenke euch hiermit eure Freiheit, was ihr damit anstellt überlasse ich euch.‘“

Verwirrt wollte Tharbor das Buch vor sich auf der Tischplatte heranerziehen, während Walther zornig stehen blieb. Bei der ersten Berührung des Buches durchfuhr den Paladin ein Schauer, auf den er nicht vorbereitet gewesen war, und die Haare auf seinen Armen stellten sich auf. Mit dem Segen Agharams als Speer des Lichts war auch seine Wahrnehmung für Auren des Wirkens dunkler Götter geschärft geworden; wie zwei Kraftfelder, die einander abstießen. Tharbor blinzelte überrascht und las, was er da vor sich hatte: „Freiheit durch Dunkelheit“ ein geschriebenes Buch von „Osynos de Virdoth“. Er biss die Zähne aufeinander, dass es weh tat.

Vor Ihm lag eine bekannte Ketzerschrift deren Besitz früher im Herzogtum mit 10 Jahren Kerker bestraft wurde und der Handel damit sogar mit dem Tode. Dies hatte seinen Grund, denn dieses Buch über die dunklen Künste war dazu gedacht, den Leser in den Bann der Dunkelheit zu schlagen.

Der perfekte Abend kam somit zu einem abrupten Ende. Was sein Bruder kredenzte, verdarb ihm den Appetit.

Tharbor hielt es nicht mehr auf der Bank und er sprang auf. „Bei Agharam! Walther, wir müssen handeln und den Schenker dieses Buches fassen und herausfinden, ob noch andere dieses Buch erhalten haben! Holen wir die Stadtwache!“

So geschah es, dass in dieser Nacht die Stadtwache an viele Türen klopfte und versuchte sämtliche Abschriften des Ketzerschrift sicherzustellen.



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